Gleich zu Beginn des Europa-Iran-Forums in Zürich ist ein deutlicher Auftrag an die europäischen Politiker ergangen. Mehrere Redner, darunter der Verwaltungsratspräsident von Philips sowie der ING-Gruppe, Jeroen van der Veer, forderten die Politik zum Handeln auf.
Hintergrund dieses Aufrufs ist die Tatsache, dass für viele europäische Firmen in Iran lukrative Aufträge winken, allerdings derzeit immer noch infolge der bestehenden Primärsanktionen der USA konkrete Geschäfte praktisch unmöglich sind.
Schwierig sind Vertragsabschlüsse mit Iran vor allem deshalb, weil sobald ein beliebiger Bezug zu Amerikanern hergestellt werden kann, sofort amerikanische Sanktionen verletzt würden und dies drakonische Strafen nach sich zöge. Davor haben besonders Banken grosse Angst, weil einige unter ihnen bereits Milliarden-Bussgelder wegen der Verletzung von Iran-Sanktionen bezahlt haben.
Würde dieser Hemmschuh beseitigt, könnten Unternehmen sich auf die eigentlichen Geschäftsrisiken mit Iran konzentrieren, so der Tenor zahlreicher Redner am Dienstag auf dem 3. Europa-Iran-Forum in Zürich.
Unternehmer beklagen unklare Situation
Van der Veer, angesprochen auf die Finanzierungsmöglichkeiten für Irangeschäfte im Bergbau-Sektor, sagte, dass sich europäische Banken an das Sanktionsregime hielten und deshalb sehr zurückhaltend mit der Wiederaufnahme solcher Aktivitäten mit der Islamischen Republik seien. «Ohne eine politische Lösung ist wahrscheinlich kein Fortschritt in dieser Frage zu erreichen», erklärte er.
Sogar bei den Menschenrechten verwies der prominente Redner einige Anwesende in die Schranken, denn für die Situation bei den Menschenrechten seien primär auch nicht die Unternehmen, sondern die Politiker verantwortlich. Firmen könnten nur dafür sorgen, dass innerhalb ihrer Organisationen keine Verletzungen der Menschenrechte erfolgten, sagte van der Veer.
Auch George Kleinfeld von der Anwaltskanzlei Clifford-Chance hob in seiner Rede hervor, dass die europäischen Politiker endlich eine Lösung mit den Amerikanern bezüglich der Sanktionen herbeiführen müssten, damit Unternehmen wieder Geschäfte mit Iran ohne Angst vor Bussen durchgeführt könnten. Kleinfeld ging sogar soweit zu sagen, dass die Europäer sich von den Amerikanern endlich emanzipieren sollten.
Wie gespalten die Ansichten bezüglich der Wiederaufnahmen von Iran-Geschäften sind, zeigte sich bereits im Vorfeld der Konferenz. Zahlreiche europäische Zeitungen, darunter auch die «Neue Zürcher Zeitung» veröffentlichten eine Anzeige einer Initiative gegen die erneute Einbindung Irans in die Weltwirtschaft. Die Initiative, genannt UANI, warnte Konzerne in ganzseitigen Anzeigen explizit vor zahlreichen Risiken in der Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik.
Viel Potenzial
Allerdings ist die Wiederaufnahme der Geschäftsaktivitäten mit Iran ausgesprochen lukrativ. So öffnet sich nämlich ein Markt mit rund 80 Millionen Einwohnern, der in praktisch allen Geschäftsbereichen grosse Chancen für ausländische Unternehmen bietet. Besonders aussichtsreich sind laut Pratibha Thaker von der Economist Intelligence Unit der iranische Erdöl- und Erdgassektor, der Consumer-Bereich, die Infrastruktur, die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Energie- und Wasserversorgung.
Doch damit europäische Firmen all diese Segmente nunmehr im grossen Stil angehen zu können, braucht es zunächst ein Handeln ihrer Politiker. Denn ohne eine weitere Lockerung des amerikanischen Sanktionsregimes gegenüber Iran sind normale Iran-Geschäfte infolge fehlender Finanzdienstleistungen auch für Europäer kaum möglich.