Hannah Arendt

Es mag manchen nach dem Krieg gewundert haben, wohin all die Millionen verschwanden, die die Nazi-Greuel als Mitläufer möglich machten. Hannah Arendt war eine der Denkerinnen der Nachkriegszeit, die mit ihrer Haltung damals die Diskussion am Leben hielt. Auch unter jüdischen Mitbürgern.   Keine hat wie sie ihre Filme immer derart präzise und  unaufgeregt in […]

Es mag manchen nach dem Krieg gewundert haben, wohin all die Millionen verschwanden, die die Nazi-Greuel als Mitläufer möglich machten. Hannah Arendt war eine der Denkerinnen der Nachkriegszeit, die mit ihrer Haltung damals die Diskussion am Leben hielt. Auch unter jüdischen Mitbürgern.

 

Keine hat wie sie ihre Filme immer derart präzise und  unaufgeregt in das jeweilige Fadenkreuz des politischen Diskurses gesetzt. Margarethe von Trotta: Angefangen bei  Die bleierne Zeit , hat sie mit Rosa Luxemburg und in Rosenstraße erneut bedeutende Frauenfiguren in der deutschen Gegenwart und Geschichte aufgegriffen. Jetzt findet sie zu einer politischen Figur zurück, deren Denken sich erst heute unverkrampft entfaltet: Hannah Arendt.

Die Jüdin Arendt war, nachdem sie in Marburg bei Heidegger studiert hatte, vor den Nazis geflüchtet, und hatte, fernab des Reiches, ihre Eigenständigkeit weiter entwickelt. Als Entkommene stellte sie sich dem Makel der Unversehrten. Doch, während die deutsche Philosophie sich lange um das Aufarbeiten des Nazi-Traumas drückte, waren ihre Totalitarismus-Analysen aus der Ferne angriffiger, als der Diskurs in der Enge, der zu Hause geführt wurde.

Im verlängerten Exil holte die Deutsche auf ihre Art den Totalitarismus nach – in den USA. Sie liess sich von der Kriegs-Geschichte nicht einholen. Sie stellte sich ihr: Sie fuhr nach Jerusalem, um dem Prozess gegen Adolf Eichmann beizuwohnen. Das Böse kann man nur beschreiben, indem man es zu verstehen sucht.

Nicht nur die Neugier trieb sie in den Gerichtssaal. Es war auch ihre Gründlichkeit. Sie wollte dieser Frage auf den Grund gehen, für deren Beantwortung ihr Leben nicht ausreichte: Wie das Böse sich erklären liesse. Sie lauschte den Erörterungen des Massenmörders. Sie folgte seinen Gehorsamsbeteuerungen. Nicht böse erschien ihr der Mann. Sondern hirnlos. Sie fand das vor, was heute als die «Banalität des Bösen» die Totaltarismus-Debatte auch auf andere Systeme anwenden lässt. Prompt schockierte sie damit die Welt vorab die jüdische. Indem sie Eichmann nicht als die Ausgeburt des Bösen sehen wollte, sondern als perfektionistischen Nichtdenker. 

Die Wellen der Empörung schlugen hoch, als sie im «New Yorker» ihre Überlegungen zum Gelingen dieses Massenmordes veröffentlichte. Auch in der Wohnung der Arendts wurde es laut, wenn selbst jüdischen Freunde sich plötzlich als Kollaborateure verstehen sollten. Barbara Sukowa und  Axel Miberg schaffen es, mit den rasierfeinen Dialogen der Margarete von Trotta, die damalige Diskussion auch für unsere Zeit hochaktuell zu halten. Der blinde Gehorsam, das Nichtdenken, das seelenlose Nachplappern der geltenden Meinungen – die unerschrockene und zuweilen gar heitere Philosophin hat sich von keinem Tabu davon abhalten lassen, das Denken bis in die letzte Konsequenz zu praktizieren, auch gegen den Strom.    

Dies alles schildert der Film mit zärtlicher Zugewandtheit. Hanna Arendt wird uns als Lehrerin, Freundin, Liebende und Denkerin so nah gebracht, dass wir am Schluss ihrer zehnminütigen Verteidigungsrede folgen, als würde sie ihre  Thesen zum heutigen Mitläufertum darlegen.

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