Queen Elizabeth II. wird 90 Jahre alt und sitzt noch immer auf dem Thron. Nicht mal die übelsten Schmählieder konnten sie vom Sockel hauen. Ab und zu durfte Ihre Majestät aber auch nette Songs über sich anhören.
Als sie 1952 den Thron bestieg, war Grossbritannien noch ein Imperium. 64 Jahre später ist von der einstigen Weltmacht nicht mehr viel übrig geblieben – aber sie ist noch da. Queen Elizabeth II, das am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt, wird 90 Jahre alt und sitzt noch immer auf dem Thron.
Niemand hat Grossbritannien je länger regiert. Von tatsächlicher Regierungsmacht kann allerdings kaum mehr die Rede sein. Die Aufgaben des Hauses Windsor beschränken sich auf repräsentative und zeremonielle Akte. Von der Monarchie lassen wollen die Engländer trotzdem nicht: Das Königshaus, vor allem ihr Oberhaupt, erfreut sich seit Jahren beeindruckender Beliebtheitswerte.
Nicht zuletzt die britische Popkultur hat sich mehrfach von der Queen inspirieren lassen – selten als heimliche Verehrerin, weit öfter als hämische Kritikerin. Die Queen hat ihnen allen standgehalten, mit stoischer Würde.
1. Pet Shop Boys – «Dreaming Of the Queen» (2006)
Der Anlass ist feierlich, darum versöhnliche Töne zum Aufgalopp: Die britischen Synthie-Grandseigneurs Neil Tennant und Chris Lowe beschrieben zum 80. Geburtstag der königlichen Hoheit in gewohnt schwelgerischer Manier einen absonderlichen Traum, in dem sich der Sänger mit der Königin und der verstorbenen Prinzengemahlin Lady Di zum Tee trifft. Dabei beweinen die beiden royalen Damen, wie vergänglich die Liebe geworden ist und dass ihr Verlust selbst vor der Krone nicht haltmacht.
There were no more lovers left alive
and that’s why love had died
Yes it’s true, it happened to me and you.
Die Pet Shop Boys schrieben das Lied vor zehn Jahren, als der öffentliche Meinungsumschwung sich nach den schwierigen Neunzigerjahren wieder zugunsten der Königin entwickelt hatte. Die Königin als Grossmutter der Nation, mit der man bei Tee die Herzenssorgen abladen kann – so wahrscheinlich sehen die Briten heute wahrscheinlich ihr Oberhaupt.
2. Sex Pistols – «God Save The Queen» (1977)
Die Anti-Hymne, ohne Frage. Punk fiel 1977 mit dem 25-jährigen Thronjubiläum von Elizabeth II zusammen, eine Gelegenheit, die wahrgenommen werden wollte. «God Save The Queen» war ein wütendes, nihilistisches Gebräu, in dem die Monarchie als «fascist regime» und die Queen als «ain’t no human being» abgefertigt werden. Der beabsichtigte Skandal war perfekt, die BBC ignorierte das Lied, und Gerüchte, dass «God Save The Queen» trotz der enormen Verkäufe die Chartsspitze vorsätzlich verwehrt wurde, halten sich bis heute.
Noch spektakulärer war indessen der «Jubilee Boat Trip», den die Pistols auf der Londoner Themse veranstalteten. In Anlehnung an die königliche Boot-Prozession mieteten sie ein Schiff, spielten auf der Fahrt ihre Songs vor einem verdutzen Stadtpublikum und wurden am Ende filmwirksam verhaftet. Heute: ein Klassiker.
3. The Smiths – «The Queen Is Dead» (1986)
Eine Ansage an die Nation als Klagelied: 1986, Thatcherismus, Working Class am Boden. Aus ihrem Herz Manchester kamen The Smiths, und alles, was in den folgenden Jahren bis zur Klimax des Britpop zehn Jahre später kommen sollte, ging von ihnen aus. «The Queen Is Dead» ist ihr Schlüsselalbum, noch 2013 zur einflussreichsten britischen Platte der vergangenen 50 Jahre gewählt. Wegen der Musik sowieso, aber besonders hier wegen Morrisseys Texten: Im Titelstück rechnet er ab mit einem England, dessen Säulen zu schwer wiegen:
Pass the Pub who saps your body
And the church who’ll snatch your money
Die Königin ist tot: Das Land änderte sich, die alten, tragenden Symbole sind korrumpiert, und niemand da, der die Leere füllt.
4. The Stone Roses – «Elizabeth My Dear» (1989)
Die Saat von The Smiths ging drei Jahre später in The Stone Roses auf, die Gründerband des Britpop. Am Ende der Achtziger winkte eine neue Ära, neue Hoffnung, die Sehnsucht nach radikalem Schnitt.
I’ll not rest till she’s lost her throne
My aim is true, my message is clear
It’s curtains for you, Elizabeth my dear.
Mehr war nicht zu sagen in diesen knapp sechzig Sekunden.
5. The Beatles – «Her Majesty» (1969)
Noch kürzer als The Stone Roses fasste sich Paul McCartney 1969 in den letzten 23 Sekunden von «Abbey Road». Die Zeit war noch nicht da, um mit der Krone derart aggressiv abzurechnen wie eine Generation später, aber ernst genommen wurde im Pop nach «’68» auch die Monarchie nicht mehr. Ein «pretty nice girl» sei Ihre Majestät, obwohl sie nichts zu sagen habe.
Auch daraus liess sich ein scharfer Protestsong machen, dachten sich die Agit-Popper von Chumbawumba im Jahr 2000 und verlängerten das Liedchen um ein paar markige Zeilen: Aus der fröhlichen Verehrung wird bittere Enttäuschung, weil sich das «pretty nice girl» mit den falschen Freunden zu umgeben begann. Fun fact: Neben dem ganzen Antimonarchismus schmuggeln Chumbawamba noch ein paar Worte rein, um ihre unerhörte Verlängerung eines Beatles-Songs zu legitimieren. «Her majesty’s a throwaway song just short of a chorus or two.» Kann man gelten lassen.
6. Manic Street Preachers – «Repeat» (1992)
Schluss mit lustig: Derart drastisch wie die walisischen Manic Street Preachers haben selbst die Sex Pistols nicht auf das Königshaus eingedroschen. «Fuck Queen and Country», «Royal Khmer Rouge» oder «Dumb Flag Scum» – viel zu deuten bleibt da nicht. Oder? Die Manic Street Preachers waren beeinflusst vom Anspruch des Situationismus, mit markantem Stil gesellschaftliche Erschütterungen zu erwirken. Die Band entwickelte daraus ihre frühe Methode, alles und jeden, was vor ihrer Generation als kultureller Referenzpunkt galt, leidenschaftlich öffentlich zu hassen. Das galt selbstredend für Ihre Majestät, aber auch für die Musik der Väter: «I laughed when Lennon got shot», lautet eine andere ihrer Zeilen aus jenen Jahren.
7. «God Save The Queen»
Zum Schluss noch ein Schwenk zur Huldigung: Unterschlagen sollte man bei all den harten Worten von The Smiths & Co. nicht, dass die britische Monarchie von einer Fanfare begleitet wird, die zu den bekanntesten Melodien der Welt gehört. Die Ursprünge der Hymne verlieren sich im 16. Jahrhundert. Von Grossbritannien aus schallte die Melodie hinüber auf den Kontinent, wo zu ihr die Herrschaft deutscher Kaiser («Heil Dir im Siegerkranz») und Könige gepriesen wurde. Bis 1961 sang man zu ihr auch die alte Schweizer Nationalhymne. Und noch heute hört man die Melodie drüben in Liechtenstein am Nationalfeiertag.
Die Worte kamen im 18. Jahrhundert hinzu, und schliesslich fand die einprägsame Melodie Eingang in den Pop. Am ausführlichsten, natürlich, bei Queen höchstselbst, die ihre Konzerte inklusive der Präsentation von Krone und Schärpe beendeten. Von Laibach gibts eine gewohnt abseitig verfremdete Version, und eine der ungewöhnlichsten Interpretationen des alten Lieds schuf 2012 Neil Young: Auf seinem Album «Americana», das sich Melodien aus der Gründerzeit der USA annahm, erschallt am Ende eine mit Trommeln und Bläsern militärisch vorgetragene Huldigung an Englands Krone.
Eine Erinnerung an den Glanz früherer Grösse, als der Arm aus dem Buckingham Palace bis in die Kolonien jenseits des Meeres reichte und als die alten Pioniere die Melodie als treue Untertanen selbst noch auf den Lippen hatten – bis sie die Monarchie abschüttelten und sich zur unabhängigen Union der Vereinigten Staaten erklärten. Die Geschichte rollt voran und wälzt um, was ihr im Wege steht, so scheint es – nur die Queen ist noch immer da. Happy Birthday.