Happy End eines verkorksten Lebens

Der Dokumentarfilm «New York Doll» hält den Höhepunkt des verkorsten Lebens von Arthur «Killer» Kane fest: Ein Comeback-Konzert. Der Bassist der Kultband «New York Dolls» starb heute vor zehn Jahren an Leukämie.

Wider das Vergessen: der bemerkenswerte Film über Arthur Kane.

Der Dokumentarfilm «New York Doll» hält den Höhepunkt des verkorsten Lebens von Arthur «Killer» Kane fest: Ein Comeback-Konzert. Der Bassist der Kultband «New York Dolls» starb heute vor zehn Jahren an Leukämie.

Das Leben von Arthur «Killer» Kane gibt einiges an bitterem Legendenstoff her, und eine dieser Episoden erzählt man sich so: 1988 schaute sich Kane den Weihnachtsfilm «Scrooged» im Fernsehen an. Dort erschien sein früherer Bandkollege David Johansen in einer tragenden Rolle. Kane, der in Armut und im Suff lebte, steigerte sich ob dieses Anblicks in rasenden Neid, verprügelte seine Frau und sprang danach aus dem dritten Stock aus dem Fenster. Als er im Krankenhaus erwachte, brachten ihm zwei bildhübsche junge Frauen das «Buch Mormon» vorbei. Kane konvertierte sofort. Das rettete ihm das Leben. Vorerst.

Kane war damals knapp 40 Jahre alt und ganz unten. Aber in den frühen Siebziger Jahren gründete er eine Band, die ihrer Zeit weit voraus war: die New York Dolls. Damals, am Ende der Hippie-Jahre und in den Morgenstunden des Prog-Rock, entwarfen die New York Dolls einen rohen und dennoch raffiniert dem Pop zugewandten Sound, der vieles vorweg nahm, was Jahre später fulminant explodieren sollte – den Punk der Sex Pistols, den Glamrock von Kiss, die Kleidung von Guns’n’Roses.

Markenzeichen der New York Dolls war das ungezügelte Gitarrenspiel von Johnny Thunders und der wetternde Gesang von David Johansen. Doch den visuell stilbildenden Eindruck, den die Dolls hinterliessen, verdankten sie zu grossen Teilen dem Bassisten Kane. Der lebte davor ein Jahr in Amsterdam, streifte dort durch die Flohmärkte und brachte Vorstellungen eines Outfits zurück nach New York, die neu waren im Rock: Netzstrümpfe und Plateauschuhe, Lederanzüge und bauchfreie Shirts mit Leopardenfellmuster.

Nur vier Jahre haben die Dolls geschafft, die Reaktionen zu ihren beiden Platten «New York Dolls» (1973) und «Too Much Too Soon» (1974) waren bestenfalls gemischt, die Verkaufszahlen ein Desaster, die Tourneen chaotisch und der Blutzoll hoch. Früh, bereits 1971, verloren sie ihren blutjungen Drummer Billy Murcia an den Folgen einer Überdosis nach einem Konzert in London.

Die anderen feierten Solo-Karrieren, Kane verfiel dem Suff

1975 lösten sie sich auf, nachdem auch der legendär-berüchtigte Malcolm McLaren, später Impressario der Sex Pistols, die Band nicht auf Erfolgskurs bringen konnte. Sänger David Johansen und der zweite Gitarrist Sylvain Sylvain traten noch zwei Jahre mit wechselnden Musikern unter dem alten Namen auf, danach war Schluss. Und Zeit für Einzelkarrieren.

Gitarrist Johnny Thunders kam mit den Heartbreakers und später unter eigenem Namen zu Ruhm in Punkkreisen und nahm Schlagzeuger Jery Nolan mit. David Johansen legte unter dem Pseudonym Buster Poindexter einen skurrilen Disco-Erfolg hin. Einzig Arthur Kanes Versuche blieben fruchtlos.

Und während seine ehemaligen Kumpels im Geschäft blieben und die Epigonen der New York Dolls schliesslich die Millionen abkassierten, verarmte Kane. Er verfiel dem Suff, dem Frust, und landete schliesslich bei den Mormonen, in deren Tempel in Los Angeles er arbeitete. Dort stöberte ihn der Dokumentarfilmer Greg Whiteley 2003 auf – zu einer Zeit, als der lang gehegte Traum Kanes, die «Dolls» würden noch einmal zusammenfinden, sich zu konkretisieren schien.

Ein verkorkstes Leben mit Happy End

Denn zeitgleich bemühte sich der britische Sänger Morrissey (früher The Smiths), ein Dolls-Fan seit Teenagertagen, die noch lebenden Mitglieder der Band (Johnny Thunders und der zweite Schlagzeuger Jerry Nolan starben beide 1991) für eine Reunion-Tour und eine neue Platte zusammenzubringen.

Von diesen für Arthur Kane aufregenden Monaten, in denen sein verkorkstes Leben doch noch so etwas wie ein Happy End nehmen sollte, erzählt Whiteleys famoser Dokumentarfilm «New York Doll». Neben den Stimmen der noch lebenden Urmitglieder, von Weggfährten und von Edel-Fan Morrissey fokussiert Whiteley dabei vollständig auf den ungebeugten Kane, der vom Leben gezeichnet war und in der Religion Halt fand, bevor er seinen Lebenstraum nach fast dreissig Jahren doch noch erfüllte. Ein grosser, feinfühliger Film über eine tragische Figur.

Heute vor zehn Jahren, drei Wochen nach dem Reunion-Konzert der New York Dolls in der Royal Albert Hall in London, starb  Arthur «Killer» Kane an Leukämie. Er wurde 55 Jahre alt.

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