Hausbesetzungen: Zürich tickt anders

Die Besetzerszene in Zürich ist viel aktiver als die in Basel und trotzdem breit akzeptiert. Ist Basels Bevölkerung gar nicht so tolerant, wie sie glaubt?

Das Hotel Atlantis in Zürich wurde Ende Oktober 2010 während rund drei Wochen besetzt (Bild: Keystone)

Die Besetzerszene in Zürich ist viel aktiver als die in Basel und trotzdem breit akzeptiert. Ist Basels Bevölkerung gar nicht so tolerant, wie sie glaubt?

Nach den Sachbeschädigungen rund um den Voltaplatz in der Nacht auf den 25. stand für gewisse Politiker und Medien schnell fest: Schuld an den Ausschreitungen ist die rot-grüne Regierung, die illegale Besetzungen duldet und so die Polizei handlungsunfähig macht. Besonders die seit 2004 besetzte Villa Rosenau, deren Bewohner gemäss einer Nutzungsvereinbarung mit den Behörden bis etwa 2013 bleiben dürfen, geriet ins Visier der Kritiker. Und mit ihr die ganze Besetzerszene, die vor allem aus gewaltbereiten Linksextremen bestehe. Quasi eine Terrorzelle, die mit dem Segen der links-grünen Regierung die Stadt Basel regelmässig in ein Schlachtfeld verwandle.

Auch Zürich hat eine rot-grüne Stadtregierung, auch Zürich hat eine Besetzerszene – eine äusserst aktive sogar. Letztes Wochenende erst wurde vorübergehend das Kino Razzia für eine Party in Beschlag genommen; gemäss Marco Cortesi, Medienchef der Zürcher Stadtpolizei, sind derzeit etwa 25 Liegenschaften «besetzt». Dennoch, und trotz Krawallen, die die Zürcher im September erlebten, scheint dort die Besetzerszene einigen Goodwill in der Bevölkerung zu haben. Diese Szene gelte im grossen Ganzen als friedfertig, sagt Cortesi.

In Zürich ist mit einem Merkblatt für Hausbesitzer auf der Website der Stadtpolizei sogar schriftlich festgehalten, dass sie besetzte Liegenschaften nur unter bestimmten Voraussetzungen räumt. Demnach muss der von einer Besetzung betroffene Liegenschaftenbesitzer nicht nur einen Strafantrag einreichen, sondern zudem eine rechtskräftige Abbruch- oder Baubewilligung oder ein rechtskräftiges Neunutzungskonzept vorlegen. Gemäss Cortesi ist diese Doktrin in Zürich breit akzeptiert.

Es sei eine gute Lösung, Eskalationen als auch Leerläufe würden so vermieden. «Früher, als ein Strafantrag für die Räumung genügte, ist oft ein Haus drei Wochen nach der Räumung bereits wieder besetzt gewesen.» Eine Sisyphusarbeit für die Polizei, so Cortesi. Probleme gebe es wenige. Wenn die Polizei einschreiten müsse, dann wegen Lärmklagen von Anwohnern. Auch wenn alles für eine Räumung vorliege, würden die Besetzer in der Regel problemlos die Liegenschaft verlassen.

Die TagesWoche hat den Basler Polizeikommandanten Gerhard Lips zu der hiesigen Haltung gegenüber der Besetzerszene befragt. Als ehemaliger stellvertretender Kommandant der Stadtpolizei Zürich kennt er auch die Verhältnisse in Zürich bestens. Die Villa Rosenau sei deshalb Thema geworden, sagt er, weil dort gewaltbereite Linksaktivisten vermutet werden.

Quellen

Nächster Artikel