Sie sei lediglich der «traurige Clown der Redaktion» gewesen, schreibt Hazel Brugger in ihrem Abschiedsbrief an uns, an die Art, an Basel überhaupt. Dabei sind wir es, die nun traurig sind. Aber lesen und vor allem hören Sie selbst.
Adieu Art Basel, Hazel Unchained legt sich wieder in Ketten. Leider ist mein Kameramann verschwunden. Mit Sack und Pack an die Adria geflüchtet und hat mich einfach ohne Stativ und Zugang zum Schnittprogramm in diesem schwül-sterilen Heuchlerland hinterlassen. Gummischrot und Tränengas waren wohl selbst für seinen dicken Schädel zu viel gewesen. Eine Schande, dass ausgerechnet dieses letzte Filmchen also nicht mehr zustandekommen kann, dieses letzte Video, welches von solch epischer Natur gewesen wäre, in 3D und Dolby Digital, mit Millionenbudget, Gastauftritt von Anthony Hopkins im Lady-Di-Kostüm und Audio-Kommentar von Morgan Freeman.
Ich spiele mit dem Gedanken, für diesen Eintrag eine riesige und provokative Überschrift zu verwenden: «Albaner hinterlässt Schweizerin – Kunstmesse ist fassungslos und Kameragrüsel auf freiem Fuss». Doch bei so einem linken Lappen wie der TagesWoche habe ich damit wohl nicht die geringste Chance, im Gegenteil, die sind sogar bestimmt noch auf seiner Seite. Dass er sich auch einmal Ferien verdient habe, heisst es da, und dass er ja nicht das ganze Jahr lang jeden Tag fünfzehn Stunden arbeiten könne, das sei hier ja schliesslich keine Ostasiatische Schuhfabrik sondern eine zivilisierte Gedankendruckstelle. Mir doch egal, just do it lautet das einzig wahre Arbeitsmotto.
Natürlich könnte ich jetzt auch einfach einen Abschiedstext schreiben, der noch viel bildkräftiger ist als tausend aneinandergereihte High Definition Frames, ein Text der Bilder von Menschen zeigt und ihrem Inneren, von der Welt als Ganzem und vom Ganzen als nichtigem Haufen. Ein Abschiedsbrief sozusagen, der Bilder präsentiert von Explorateuren in arktischen Weiten, Giftfrosch-blauen Seen umrahmt von Zyankali-Pulverschnee und Girlanden aus gefrorenem Popcorn, Bilder von adipösen Reisenden auf Parkbänken, Frauen, die ihren Männern am Sandstrand die Mitesser aus den Schultern quetschen und den Pfropf dann mit Mittelfingers Nagel vom Daumen weg und ins Meer spicken. Bilder von Neureichen, die Kokain von Spiegelbruchstücken schnäuzen und Altreichen, die sich in Siebnerkonstellationen bis zum Hüftbruch auf elektrostatisch ladenden Tierfellen räkeln. Aber ich möchte das alles nicht. Ich kann nicht mehr. Die Art Basel hat mich ausgelaugt hinterlassen wie das Pökelbad ein altes Euter im Sommerwind. Ich habe keine Lust mehr.
Mindestens meine liebsten Kunstwerke hätte ich ja fotografieren können um dann abschliessend dazu zu schreiben, was mir daran so sehr gefiel. Aber ich möchte auch das nicht, es tut mir nicht einmal leid. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich auf der Redaktion der Störenfried, der traurig-verzerrte Clown der Neuzeit war – «die anderen berichten ja schon genug professionell darüber, Frau Brugger, machen Sie nur», hiess es. (Nun, nicht einmal gesiezt wurde ich auf der Redaktion, so scherzhaft schien der Schatten meiner Selbst. Schlimmer noch, sie machten Witze über meinen Namen, nannten mich Haselnuss und Purple Haze. Ich schlug sie zur Strafe mit bösem Blick und kaltem Maul.)
Über die Kunst habe ich zu allem Überfluss auch nicht viel gelernt, was mir nicht schon klar erschien. Sei es die Kunst als Zustand oder Status, Kunst als Hobby oder Notwendigkeit: Ein Künstler muss seine eigene Kunst und Arbeit ernst nehmen. Sonst ist das so, als würde ein Spiel seine eigenen Regeln brechen – und somit sowohl seinen eigenen, als auch den Sinn des dafür relevanten Systems zerstören.
Aber sei’s drum, die nächste aufgeblasen-kranke Kult Convention kommt bestimmt. Und in Gedanken bin ich jetzt bei Fatmir, dem Kameramann, der irgendwo an der albanischen Küste seinen am Boden gebliebenen Bauch bräunt und sich die Baklava-klebrigen Finger leckt – ganz ohne Sinn für die Ästhetik und ohne Heimweh nach der Kunst.