Drei Tage nach der Schiffskatastrophe auf dem Jangtse gehen die Bergungstrupps davon aus, dass wohl niemand überlebt hat. Das Wrack soll aufrecht gestellt werden, um die Leichen zu bergen.
Es gebe keine Hinweise dafür, dass es noch Überlebende gebe, sagte der Sprecher des Transportministeriums, Xu Chengguang, am Donnerstag. Mit Spürgeräten sei das Wrack untersucht worden. Kräne sollen das Schiffswrack nun heben und aufrecht stellen, um die Bergung der Opfer zu erleichtern.
Auch drei Tage nach dem Kentern des Touristenschiffes «Stern des Orients» im Sturm waren erst 77 Leichen geborgen worden, wie das Staatsfernsehen berichtete. Nur 14 Menschen haben das Unglück überlebt. An Bord waren 456 Menschen – meist ältere Touristen, die eine elftägige Jangtse-Tour machten.
Die Tragödie bei Jianli in der zentralchinesischen Provinz Hubei könnte mit vermutlich rund 440 Toten Chinas schlimmste Schiffskatastrophe sei fast sieben Jahrzehnten werden.
Schwierige Suche
Die Suche nach Überlebenden gestaltete sich sehr schwierig. Die Taucher kamen in dem trüben, 15 Meter tiefen Wasser nur schwer voran. Umgefallene Möbelstücke blockierten die Gänge innerhalb des Schiffes, berichtete das Fernsehen. Kabinentüren seien von innen verriegelt. Wegen der schlechten Sicht könnten sich die Taucher nur vortasten. Mehr als 200 Taucher arbeiteten in Schichten.
Die Bergungstrupps hatten am Donnerstag zunächst damit begonnen, drei Löcher in den Rumpf zu schneiden, um Tauchern besseren Zugang zu geben. Es bestehe aber die Gefahr, dass Luft aus dem Inneren entweiche, das Schiff davon instabil werde oder weiter sinke, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua.
Die Einsatzkräfte befestigten Stahlseile, um das Wrack zu stabilisieren. Fünf Bergungsschiffe standen mit Kränen bereit, um das Schiff zu halten und umzudrehen.
Der Staatsrat hat derweil Ermittlungen eingeleitet. Es gab viele Fragen über das Verhalten des Kapitäns und Chefingenieurs, die beide überlebt haben und in Polizeigewahrsam gehalten werden.
Nach ihren Angaben soll ein Tornado das vierstöckige Schiff plötzlich in Schieflage und «in nur ein bis zwei Minuten» zum Kentern gebracht haben. Unklar war, warum der erfahrene Kapitän trotz des schlechten Wetters weiterfuhr, während andere Schiffe anhielten.
Wütende Angehörige
Die Behörden verstärkten auch ihre Bemühungen, sich um die Angehörigen zu kümmern, da sich Unmut regte. Sie räumten nach Angaben des Fernsehens ein, dass es «schwierig ist, sich um die Bedürfnisse eines jeden Familienmitglieds zu kümmern».
Etwa 300 Angehörige trafen am Donnerstag an der Unglücksstelle in Jianli in der Provinz Hubei ein, 200 weitere werden in den kommenden Tagen dort erwartet, wie eine Mitarbeiterin einer Sammelstelle für die Angehörigen sagte.
Einige Familien waren in ihren eigenen Autos angereist, weil sie nicht auf die von der Regierung bereitgestellten Busse warten wollten. Der aus Shanghai angereiste Jiang Sudong bemühte sich um Informationen über seinen 41-jährigen Bruder. Er war sehr verärgert, weil sie nicht sehen dürften, «was an der Unglücksstelle vor sich geht», sagte der 40-Jährige. Schon in Shanghai habe ihn niemand unterrichtet.
Unterdessen verliessen mehr als 20 Kleinbusse mit Särgen ein in der Nähe gelegenes Bestattungsunternehmen. Die Angehörigen wurden genau von Polizisten beobachtet. «Sie sind sehr nervös», sagte Jiang Sudong. Auch für ausländische Medien war der Zugang zum Unglücksort sehr eingeschränkt.
Angehörige der Opfer kritisierten die restriktive staatliche Informationspolitik. Chinesische Medienberichte konzentrierten sich auf Regierungschef Li Keqiang, der die Rettungsarbeiten koordinierte. Während einer Medienkonferenz am Mittwoch hatten die Behördenvertreter keine Angaben über Opfer gemacht. Fragen wurden nicht zugelassen.