Der Besuch des deutschen Aussenministers Frank-Walter Steinmeier in Ankara zeugte vom frostigen Klima zwischen Deutschland und der Türkei. Trotzdem wollen beide Länder im Gespräch bleiben.
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem ersten Besuch in der Türkei seit dem Putschversuch heftige Vorwürfe zu hören bekommen. Deutschland sei ein Zufluchtsort für PKK-Terroristen und Anhänger des «geisteskranken» Predigers Fethullah Gülen, wetterte Aussenminister Mevcüt Cavusoglu am Dienstag nach einem Gespräch der beiden. Die türkische Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch verantwortlich.
Steinmeier kritisierte seinerseits die Massenverhaftungen der vergangenen Monate sowie die jüngsten Einschränkungen der Meinungsfreiheit. «Versteht es bitte in der Türkei nicht als Anmassung, nicht als Belehrung von oben herab», fügte er hinzu. Der «direkte Kontakt» sei wichtig und besser als gegenseitige Schuldzuweisungen über die Medien, betonte Steinmeier.
Auch die türkische Seite demonstrierte, dass sie trotz aller Misstöne im Gespräch bleiben will. Ministerpräsident Binali Yildirim und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erklärten sich am Dienstag kurzfristig bereit, Steinmeier zu empfangen. Der Gast aus Berlin wurde ausserdem durch das Parlament geführt, wo noch Schäden aus der Putsch-Nacht zu sehen sind.
Cavusoglu kritisierte noch einmal die Armenier-Resolution des Bundestages. Gleichzeitig drückte er seine Hoffnung aus, dass die deutsch-türkischen Beziehungen bald wieder «auf dem alten Stand» sein könnten.
«Nicht ganz einfaches Gespräch»
Steinmeier sagte, er sei «mindestens irritiert» über Erdogans Vorwurf, Deutschland sei ein sicherer Rückzugsraum für Terroristen der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Diesen Vorwurf «können wir schlicht und einfach nicht nachvollziehen», fügte er hinzu. Er dankte Cavusoglu «für ein heute nicht ganz einfaches Gespräch».
Steinmeier sagte, er habe beim Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen betont, dass Besuche deutscher Abgeordneter bei der Bundeswehr in Incirlik auch weiterhin möglich sein müssten. Nach einer zeitweiligen Besuchssperre hatte die türkischen Regierung im Oktober einen Besuch von Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Bundestages auf dem NATO-Stützpunkt bewilligt.
Von Incirlik aus starten deutsche Piloten zu ihren Unterstützungsflügen für die Allianz zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien. Im Moment ist allerdings ohnehin nicht klar, was der Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen für die Zukunft dieses Einsatzes bedeutet.
Menschenrechtler und Oppositionelle werfen der türkischen Regierung vor, sie nutze den Putschversuch vom 15. Juli und die Terrorbekämpfung als Vorwand, um Kritiker mundtot zu machen und alte Rechnungen zu begleichen.