Hell begeistert

Image 9112 (Bild: Hansjörg Betschart) FÜR HELLE KÖPFE Meine Freundin behauptet, Teewasser mit Gas zu erwärmen koste mehr Energie als mit dem Wasserkocher. Ich glaube ihr das und geniesse meinen Tee. Mein Nachbar behauptet, wenn er Holz verbrenne, stosse er kein Co2 in die Atmosphäre, weil das Holz ja genau während des Wachstums so viel […]

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Image 9112 (Bild: Hansjörg Betschart)

FÜR HELLE KÖPFE

Meine Freundin behauptet, Teewasser mit Gas zu erwärmen koste mehr Energie als mit dem Wasserkocher. Ich glaube ihr das und geniesse meinen Tee. Mein Nachbar behauptet, wenn er Holz verbrenne, stosse er kein Co2 in die Atmosphäre, weil das Holz ja genau während des Wachstums so viel Co2 schlucke, wie es beim Verbrennen von sich gebe. Das glaube ich auch und geniesse seine Grillwurst. Bei „Hell“ wird es Ihnen auch so ergehen: Wenn Sie bereit sind, zu glauben, Millionen von Europäern könnten 2016 vor einer Sonnenhölle ohne jahrelange Staus auf der A1 ans Meer oder in die Berge flüchten, werden Sie den Film geniessen. Wenn Sie das nicht glauben wollen, ist „HELL“ für Sie nur hell. Dann werden Sie sich sogar über die drei Sekunden Blut ärgern, die in diesem Endzeitschocker zu sehen sind: Es ist Periodenblut.

Wer aber gerne am Abend einen Spaziergang oder einen Weltuntergang macht: Jetzt bietet sich die Gelegenheit dazu. Ennet der Grenze, in Deutschland ist es soweit. Dürrekatastrophe. Sonnenwindsturm. Flächenbrände. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 50 Grad. Heiss. Aber heisst das, alle Deutschen sind unterwegs zum Meer oder nach Meersburg am Bodensee? Nein. Keine Spur von Stau am Gotthard. Überhaupt scheint die ganze deutsche Bevölkerung bereits – wir Schweizer würden sagen: „abgedamft“ zu sein. „Hell“ will uns das glauben machen: Dass die Elektronik eines Volvo auch nach Sonnenwinden, die die Erdtemperaturen auf über 60 Grad hochschnellen lassen und die Atmosphäre zerstören, noch unbeschadet funktioniert, muss man glauben. Sonst glaubt man auch anderes nicht. Der Rest ist Film und vom Feinsten: „Hell“ ist ein grandioser Genrefilm. Als Erstling ein Renner. Die meist phantastisch überbelichteten Bilder machen uns deutlich, dass „Hell“ nicht nur „Hölle“ meint. Für helle Köpfe spielt der Film souverän mit Licht, und spannt uns abwechslungsweise mit Dunkel auf die Folter. Tim Fehlbaums Erstling ist ausserdem gespickt mit schauspielerischen Perlen. Anna Herzsprung und Angelika Winkler lassen sogar das dürftige Buch etwas vergessen. „Hell“ ist nichts für Unterbelichtete. Eher etwas für Überlebenskünstler, die übers Leben noch nachdenken. 

Das grösste Talent der Basler U29, Tim Fehlbaum (CH), schaffte es immerhin auf die Piazza in Locarno (CH). Der Wettbewerb blieb ihm versagt. Anders die Deutschen. Sie haben ihn sofort in die Nationalmannschaft berufen: Förderpreis am Deutschen Filmfest München (D). Geht es jetzt für ihn in Deutschland weiter?


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