Hello, you buy?

Wer keinen Menschenkontakt mag, der wird in Marrakesch eine grässliche Zeit haben. Für alle anderen gilt: Rein in den bunten Haufen!

Brauchen Sie nicht? Egal!

Wer keinen Menschenkontakt mag, der wird in Marrakesch eine grässliche Zeit haben. Für alle anderen gilt: Rein in den bunten Haufen!

Und plötzlich ist da dieses Chamäleon. Entspannt hockt es auf meinem Handrücken und spinnt unschuldig seine Chamäleongedanken, ohne grosse Absichten. Die braucht es auch nicht – sein Besitzer hat genug davon: Eifrig lächelnd zeigt er mir Keramikschalen, Armbänder und farbenfrohe Gewürzberge. Ein kleiner Mann in weitem Flanellhemd, der die Kunst des Verkaufens so perfekt beherrscht, dass seine Mitstreiter von den Ständen um uns herum neidvoll rüberlinsen. Ein Meister seiner Kunst, der Tizian unter den Händlern!

So würde er sich zumindest selbst beschreiben, kein Zweifel.

Ich lache und will schon weitergehen, da greift er mir an die Schulter und wackelt grinsend mit dem Zeigefinger. Nicht so schnell Mädchen. Oder willst du etwa mein Chamäleon klauen? 

Ich lasse mich zu einem Berg Ras-El-Hanout ziehen, an dem bereits eine untersetzte Amerikanerin schnüffelt und «Is this organic?» fragt. Organic? Alles was du willst, girl. «Yes, yes, all organic, fresh from here, from small town in the mountains!», ruft Tizian enthusiastisch, und bevor sein Opfer irgendwas erwidern kann, schaufelt er auch schon ein paar Hundert Gramm von dem braunen Zeug in eine kleine Tüte. Macht 200 Dirham (rund 20 Franken)! Die Amerikanerin setzt ein sorgfältig einstudiertes Gesicht auf und sagt langsam: «180.» Tizian lacht laut. «Deal!»

Süsser Tee, süssere Floskeln

Willkommen in Marrakesch, der Stadt, wo nur der Tee noch süsser daherkommt als die zahlreichen Verkaufsfloskeln, die einem im Minutentakt an den Kopf geworfen werden. Wer einen entspannten Wellness-Urlaub sucht, ist hier schlecht bedient, es sei denn, man schliesst sich in einem Spa ein und verbringt seine Tage mit Sultanbädern und ruppigen Massagen von Frauen mit Oberarmen so stark wie junge Elefanten. Was auch ganz gut funktioniert.

Marrakesch hat eine Vielfalt von prächtigen Bädern, allen voran das «Hamam de la Rose», in dem man wunderbar einen ganzen Tag verplempern kann (am besten am Sonntag bevor man zurückfährt – einen Tag vorher buchen reicht vollends).



So lässt sichs logieren: Innenhof des Riad Warda.

So lässt sichs logieren: Innenhof des «Riad Warda».

Wer was erleben will, sollte aber auf die Strasse: Hier ist es laut und staubig und heiss und fast genau wie im «Aladdin»-Disneyfilm, wo der sympathische Dieb auf der Flucht vor fiesen Sultanwächtern von Dachterrasse zu Dachterrasse hüpft:

Genau wie bei «Aladdin» sind in Marrakesch die Gassen klein und verwinkelt und die Dachterrassen grosszügig und romantisch. Allerdings sollte man nicht auf ihnen rumspringen – viel lieber steht man richtig früh auf (ausgehen bis in alle Nacht ist hier sowieso keine Option) und schaut der marokkanischen Sonne beim Aufgehen zu. Da werden sogar die zynischsten Herzen weich. 

Guten Morgen Marrakesch!

Guten Morgen Marrakesch!

Ansonsten tut man am besten das, was hier alle tun, die nicht verkaufen: kaufen. Klingt jetzt erst mal bourgeois. Ist es auch. Aber hey, wir sind in Marrakesch und wir sind in den Ferien und wir können nicht jedes Mal «Sorry, no» murmeln, vor allem weil einem so gerade die interessantesten Gespräche durch die Lappen gehen.

Nichts ist lustiger, als sich hier mit einem Verkäufer über Schuhpflege-Strategien oder das Fladenbrotrezept seiner Mutter auszutauschen. Um dahin zu kommen, muss man aber mindestens ein glitzriges Armbändeli gekauft haben. Ist halt so. «No buy, no talk.» Handeln ist dabei selbstverständlich und Schande über den, ders nicht tut: Wer nicht mindestens einen Drittel des Preises runterhandelt, der hat keinen Respekt verdient (cheers to you, organic American).

Farbenfestival für den Kaufrausch

Üppigstes Shopping-Erlebnis bietet das «Festival de la couleur» – marokkanisch für «Hier findest du alles, was du nicht brauchst» –, das sich im touristischsten Teil des Suqs befindet. Zu finden ist das farbenfrohe Festival ganz leicht: Man setzt einen Schritt in den Basar, und sofort wird mindestens eine Person zur Stelle sein, die einem den Weg weist. Andere Möglichkeit ist der Gewürzmarkt, Standort hübscher Restaurants und Heimat von besagtem Chamäleon.



Wer findet das Chamäleon? Gewürzmarkt am Abend.

Wer findet das Chamäleon? Gewürzmarkt am Abend.

Wers lieber weniger touristisch mag, der flaniert zum Gerberei-Viertel im Osten des Hauptplatzes Djeema el-Fna (auch sehenswert: Fakire, Schlangenbeschwörer, fliegende Händler, das volle Programm) oder mietet sich ein Moped und fährt Richtung Atlasgebirge. Am Ende der Reise empfiehlt sich ein Besuch im Jardin Majorelle: Dieser Park ist so zauberhaft schön, dass Hitze und ausgegebene Dirham schlagartig vergessen sind. 

Apropos ausgegebene Dirham, folgende Güter wurden in den knapp drei Tagen Marrakesch von der Autorin angehäuft: 

  • einmal gelbes Pulver, einmal rotes Pulver, zweimal Ras-El-Hanout (weil Chamäleon)
  • dreimal Glitzerarmband (weil Tizian)
  • einmal Glitzer-Necessaire (weil Tizian)
  • einmal Schüssel aus «small town in the mountains» (weil bald Muttertag)
  • zweimal Slipper aus «small town in the mountains» (weil Jasmin aus «Aladdin» auch solche hat)
  • einmal sehr teurer Mantel aus «big town in the desert» (weil Jasmin aus «Aladdin» auch so einen hat)
  • einmal Teppich aus «small town in the mountains» (weil «it really ties the room together»)
  • einmal Massagehandschuh von Frau mit Elefantenoberarmen (weil gratis).

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  • Magenstreicheln: Unbedingt bei einer der zahlreichen Garküchen auf der Strasse ein Tajine, Couscous oder Fladenbrot holen. Kostengünstig, lecker und immer gut für einen Schwatz mit Anwohnern.
  • Ausruhen: Wir logierten im «Dar Warda», einem hübschen kleinen Riad mitten im Getümmel. Gehört nicht nur der ungeschlagen nettesten Person Marrakeschs, sondern besticht auch noch durch zauberhafte Zimmer und frischobstiges Frühstück. 
  • Auf den Putz hauen: Wer Party machen will, der wird in Marrakesch nicht auf seine Kosten kommen. Dafür gibt es ein paar Restaurants, die Znacht-Erlebnisse wie aus 1001 Nacht bescheren. Wie das «Tobsil», ein verstecktes Juwel, das man nur mit Führer findet, weil es von aussen nicht einmal angeschrieben ist. Einmal drin, versteht man die Geheimniskrämerei: So etwas Magisches haben Sie noch nie gesehen, versprochen.

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