Herbstschmerz in 50 Busminuten ab Claraplatz

Hinter der Grenze beginnt das Markgräflerland. Es ist vertraut, fremd und wunderschön. Das ideale Ziel für einen Ausritt am Wochenende.

(Bild: Valentin Kimstedt)

Hinter der Grenze beginnt das Markgräflerland. Es ist vertraut, fremd und wunderschön.

Deutschland ist ja wirklich nah! Mir war das im Grunde immer nur auf der Landkarte klar. Basler Mundart und Alemannisch kann ich (als Berliner) kaum unterscheiden. Die Klangfarbe ist gleich.

Am südlichen Ende des Schwarzwalds sieht man Lörrach, dahinter kommt Basel, alles der gleiche Landschaftsbogen. Erstaunlich, wie trotzdem einiges recht anders ist. Ist es anders?

Jedenfalls fiel es mir auf und schien mir typisch. Dafür muss man gar nicht gross die Leute studieren, es reicht, wochenendlich ein wenig durch die Landschaft und Dörfer zu streifen. Ich habe es am Wochenende um den 19. Oktober getan, das als Rächer gegenüber dem miesen Spätsommer in die Jahresbilanz eingehen dürfte.

Die Sonne schien die ganze Zeit, also waren wir pausenlos draussen. Der Schwarzwald ist gegenüber den meisten mittelhohen Gegenden in der Schweiz vor allem mal eines: wild. Man kann lange gehen, ohne auf die nächste Ortschaft zu stossen. Es gibt Platz und Einsamkeit. Dazu unpassend sind die Wege, jedenfalls wie ich sie zwischen Wollbach und Malsburg vorgefunden habe (als Wanderer beschäftigt mich so was!): Meistens ist man auf breiten Forststrassen unterwegs, akurat geführt, durch herrliche Wälder, aber auch etwas unaufregend.

Westdeutschland – gibt es noch

Wenn man dann aus einem der ewigen Wälder heraustritt, landet man zum Beispiel im Bergkaff Kaltenbach. In der Dorfbeiz (noch gibt es sie) spielt die Wirtin, die ihren Beruf wahrscheinlich seit 45 Jahren macht, mit einer Freundin Karten (wie lange schon?) und serviert Kaffee (keinen Capuccino, keinen Espresso, versteht sich) in einem blauen Geschirrset. Die Milch kommt in einer farblich passenden Kanne, das Magnumglace auf einem farblich passenden Teller. So schmeckte Westdeutschland in den 1980er-Jahren, wenn ich mich recht erinnere, hier ist es prächtig erhalten.

Was weiter auffällt: In den Dörfern und in der Landschaft steht viel alte Bausubstanz. Alte Höfe, die weiter genutzt werden, ohne dass gross renoviert würde. Es darf ein wenig bröckeln hier, und die Angst vor dem Bröckeln, denkt man sich, ist in gewissen anderen Gegenden vielleicht etwas überbewertet.

Solche herrlichen Mauern kombinieren die Markgräfler dann gerne mit a) farbig gemusterten Glastüren aus den 70er- bis 90er-Jahren oder b) mit totalem Trash wie einem Werbeschild für das Restaurant «Dö-Chicken – Chicken for you», in roter Schrift auf gelbem Grund.

Kurz: Das Markgräflerland ist einen Ausritt wert. Es ist entspannt hier.

  • Anfahren: Ab Claraplatz mit der Buslinie 55 Richtung Kandern.
  • Ankommen: Im «Pfaffenkeller» in Wollbach. Ein Ehepaar hat das alte Fachwerkhaus mehrere Jahre lang renoviert und empfängt Gäste in einigen feinen Zimmern und im Restaurant. Sie backen selber Brot, machen eigenen Käse, brennen eigenen Schnaps. Beeindruckend viel Arbeit und Hingabe steckt in diesem Haus.
  • Wandern: Überall. Zum Beispiel durch die Wolfsschlucht nach Kandern. Der Schwarzwaldverein bietet gute Landkarten. Einkehren im «Kreiterhof» in Egerten, gleich östlich von Wollbach, macht Spass. In einem alten Hof sammelt ein verrückter Typ rostige Landmaschinen, verkauft jungen Wein und frugales Essen.

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