Puls, Kalorienverbauch, Schlafverhalten: Die Selbstvermessung mit Fitness-Apps und Wearables liegt voll im Trend und gilt als grosser Zukunftsmarkt. Die Geräte liefern nicht nur Daten über die körperliche Verfassung. Sie verraten auch die Lieblingsstrecken der Basler Jogger.
Leichter Wind kühlt den Schweiss der Jogger. Zahlreich sind sie unterwegs, in greller Funktionskleidung und alten Baumwollshirts ziehen sie vorbei an den drei Musikern neben der Rhyschänzli-Buvette vor der Kaserne, zur Linken funkelt der Rhein vor dem Altstadtpanorama. Ob Spätsommer oder Frühling, die Basler schwitzen am liebsten entlang des Flusses. Was die vielen Sportler entlang der Uferwege bisher nur vermuten liessen, ist nun auch statistisch bestätigt.
Immer mehr Sportler zeichnen ihre Laufwege per GPS und Fitness-Apps wie Runtastic, Endomondo und Runkeeper auf. Daraus existieren Daten über die Routenvorlieben. Der App-Anbieter Strava hat nun sämtliche Jogging-Strecken seiner Nutzer übereinander gelegt und veröffentlicht. Je dunkler und fetter eine Route eingefärbt ist, desto mehr Basler nutzen diese.
Die beliebtesten Laufstrecken am Rheinknie:
- Das Grossbasler Rheinufer zwischen Dreirosenbrücke und Kraftwerk Birsfelden, wo manche Sportler noch eine Runde am Birsköpfli drehen.
- Ebenso das Kleinbasler Ufer zwischen Schwarzwaldbrücke und Dreirosenbrücke. Nur wenige laufen weiter bis in den Hafen und zum Dreiländereck.
- Auch auf den Wegen entlang der Wiese bis zur Grenze zu Lörrach schnüren die Sportler besonders gerne die Laufschuhe.
- Beinahe genauso angesagt: Die Wege entlang der Birs,
- Wälder und Feldwege in Langholz,
- die Stadien Schützenmatte im Bachletten und
- die Sportanlage Grendelmatte in Riehen.
Das Ergebnis überrascht nicht: Die Basler schwitzen am liebsten dort, wo es am schönsten ist. Wo sie der Hektik und Hitze der Stadt entfliehen, Kraft tanken, die Natur geniessen können. Die Stadtquartiere dienen den meisten nur als Start- und Zielort.
Ohne den neuesten Trend zur digitalen Vermessung des Lebens wäre dieser Einblick in die Laufrouten nicht möglich. Fitness-Apps und Sport-Gadgets, wie mit Sensoren bestückte Armbänder, sogenannte Wearables, werden immer beliebter. Sie sind das neue grosse Ding der IT-Branche, die Erwartungen an sie riesig.
50 Millionen Wearables wurden nach Schätzungen der Wearable Technologies AG, eines Frühphasenfinanzieres, weltweit im vergangenen Jahr verkauft, 2014 sollen es mehr als 75 Millionen werden. «Wearables sind dabei, unseren Alltag zu erobern. Sie bieten die Möglichkeit, den Puls während des Joggens zu beobachten oder seinen Schlaf zu überwachen», sagte kürzlich der Veranstalter der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin, Hans-Joachim Kamp.
Herzschlag, Kalorienverbrauch, Schlaf: Das Leben wird digital erfasst
Für Sportler gibt es bereits eine beträchtliche Auswahl. Und das Angebot wächst, wie im September auf der IFA zu sehen war. Selbst Firmen, die mit Sport bisher wenig zu tun hatten, drängen auf den Markt. Das für Drucker bekannte Unternehmen Epson stellte in Berlin zwei Fitnessarmbänder und vier Sportuhren vor. Die Armbänder PS-100 und PS-500 überwachen Herzschlag, Aktivität, Kalorienverbrauch und Schlaf des Nutzers und verbinden sich per Bluetooth mit dem Smarthpone. Auch Navi-Spezialist Garmin hat zwei Fitnessarmbänder im Angebot. Die Funktionen der Bänder und die der Konkurrenz wie LG Lifeband Touch, Jawbone UP24 und Fitbit Flex sind ähnlich.
Modelle wie das Acer Liquid Leap, Samsung Gear Fit und das Sony Smartband können noch mehr. Je nach Hersteller und Modell zeigen sie Nachrichten, Anrufe und Kalendererinnerungen an oder können Anrufe annehmen, sofern sie mit dem Smartphone gekoppelt sind. Besonders modisch ist das Misfit Shine. Im Look eines Silberkettchens mit Anhänger misst es Schrittzahl, Kalorienverbrauch und Distanz. Manche der Smartwatches wie Samsung Gear S und die vor wenigen Tagen vorgestellte Apple Watch haben ebenfalls Funktionen, die sie zu Fitness-Trackern machen.
Echt Rennen, um aus virtuellem Gefängnis zu fliehen
Das österreichische Unternehmen Runtastic, das vor allem durch seine vielen Tracking-Apps für Laufen, Radfahren, Situps und Wandern bekannt wurde, hat das steigende Interesse nach dem Selftracking erkannt und sein Portfolio rasch erweitert. Unter der Marke gibt es Hardware wie Pulsmesser und das Fitnessarmband Orbit, innerhalb der Apps lassen sich Trainingspläne und Hörbücher kaufen. Bei diesem Story-Running spielt der Läufer die Hauptrolle, muss beispielsweise aus dem Gefängnis Alcatraz fliehen, während ihn kläffende Spürhunde verfolgen und Sirenen heulen, wie im Trailer zu hören ist:
Die Sport-Gadgets beschränken sich nicht nur auf Apps oder Geräte für das Handgelenk. Das kanadische Start-up Omsignal hat ein High-Tech-Shirt entwickelt. Es misst Atem- und Herzfrequenz, verbrauchte Kalorien und die zurückgelegten Schritte. Höhere Ansprüche hat die Sporthose Mbody der finnischen Firma Myontec. In den Shorts verbaute Sensoren und ein Minicomputer sollen in Echtzeit Daten über die Muskelaktivität erfassen und senden.
Fitness-Gadgtes: Beliebt, aber nicht ausgereift
Doch wie gut sind die bereits erhältlichen Geräte? Experten sind sich einig: Ob Schritte, Kalorienverbrauch oder Schlafverhalten, bisher können die Gadgets die Aktivitäten nicht völlig genau messen. Die häufig fehlende Personalisierbarkeit sorge zudem dafür, dass gerade Fitnessarmbänder nach wenigen Wochen wieder weggelegt würden. Noch sind die Gadgets nicht ausgereift. In einem gewissen Masse aber eignen sie sich zu Kontrolle und Selbstoptimierung, vor allem aber zur Motivation. Nie war es so einfach, Fortschritte zu messen. Und in den Laboren der IT-Unternehmen wird stets weiter getüftelt.
Gadgets eignen sich vor allem für eines: zur Motivation.
Fitness-Gadgets sind längst nicht alles. Auch im Bereich der Medizin sollen Apps und Wearables eine kleine Revolution einläuten. Bisher sammeln viele verschiedene Anwendungen und Geräte die Daten der Nutzer. Mit Apple Health und Google Fit haben die beiden Tech-Riesen Plattformen entwickelt, an denen sämtliche Daten zusammenfliessen und ausgewertet werden können. Die eigene digitale Patientenakte. Zur Selbstkontrolle oder zum Senden an den Arzt. Dafür allerdings müssen die Produkte ausgereift sein. Gerade bei Gesundheitsdaten kommt es auf Exaktheit an.
Der Trend ist für Datenschützer ein Alptraum
Datenschützer beobachten die Entwicklung mit Sorgen. Die Geräte senden die Daten häufig mittels Bluetooth an das Smartphone. Bei dieser Übertragung könnten Angreifer die Daten unbemerkt bearbeiten, warnt Francis Meier, Informationsbeauftragter beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten. «Ein weiteres Risiko sind Angriffe oder unbefugte bzw. unerwünschte Zugriffe auf die Server, auf denen die Gesundheitsdaten gespeichert werden», sagt Meier.
Hacker können sich sensible Informationen besorgen. Die Preisgabe der zurückgelegten Laufstrecke oder den verbannten Kalorien mag weniger beunruhigend sein. Doch die Cyberkriminellen wissen dann um Name und Alter, E-Mail-Adresse und Gewicht, Puls und Schlafverhalten, Fettanteil und Gewicht, Bewegung und Blutdruck. So lassen sich detaillierte Profile erstellen.
Die Daten verraten den Gesundheitszustand, Versicherungen könnten das nutzen – zum Nachteil der Kunden.
Solche Profile können auch ohne Kriminelle in Umlauf geraten. Meier warnt: Manche Anbieter würden sich in den Geschäftsbedingungen zusichern lassen, dass sie die persönlichen Daten zu kommerziellen Zwecken verwerten dürften. Dies könnte beispielsweise eine Weitergabe an Pharmakonzerne oder Versicherungen sein. «Dies ist heikel, da Angaben zum Fettanteil, Schlafverhalten oder zur Herz- und Atemfrequenz Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und allfällige Krankheiten einer Person geben und dieser somit zum Nachteil gereichen können», erklärt Meier. Versicherungen könnten Patienten dann von Zusatzversicherungen ausschliessen oder Prämien erhöhen.
Für Blinde entwickelt, von Sportlern genutzt
Dagegen hilft nur eines: Nutzer sollten stets die Geschäftsbedingungen prüfen, Vor- und Nachteile abwägen und sich bewusst sein, dass ein Fremdzugriff oder eine Manipulation nie ganz auszuschliessen sei, rät Meier. Wie die Datenskandale in der jüngsten Vergangenheit bewiesen haben, gilt dies aber beinahe überall, wo Informationen übertragen werden.
Noch fehlt der erste grosse Datenskandal nach Attacken auf Wearables und deren Datenbanken. Der junge Markt wächst rasant weiter, präsentiert nun den ersten smarten Schuh. Der Lechal des indischen Unternehmens Ducere Technologies sollte eigentlich Blinden per Vibration den Weg zeigen.
In Verbindung mit dem Smartphone funktioniert die Technik auch als Navi für Rad- oder Motorradfahrer. Mittlerweile misst der Lechal auch Herzfrequenz, Kalorienverbrauch und Schrittzahl. Bisher kann der Schuh lediglich auf der Website des Unternehmens vorbestellt werden. Es ist unklar, wann ihn die Basler am Rhein ausführen können.