Hilfslieferungen erreichen Syrer trotz Waffenruhe noch nicht

Hunderttausende Zivilisten in Syrien benötigen Hilfe. Die soweit eingehaltene Waffenruhe könnte das ermöglichen. Doch Lastwagen mit Hilfsgütern konnten bis jetzt noch nicht ins Land.

Trümmer in einem Vorort von Aleppo - Hilfslieferungen für Syrerinnen und Syrer lassen trotz der Waffenruhe noch auf sich warten. (Archiv) (Bild: sda)

Hunderttausende Zivilisten in Syrien benötigen Hilfe. Die soweit eingehaltene Waffenruhe könnte das ermöglichen. Doch Lastwagen mit Hilfsgütern konnten bis jetzt noch nicht ins Land.

Erste Transporte stünden bereit, sagte David Swanson von der UNO-Nothilfeorganisation OCHA am Dienstag. Noch habe sich aber kein Konvoi auf den Weg gemacht. «Wir haben dafür noch nicht die erforderlichen Sicherheitsgarantien und schriftlichen Genehmigungen der Behörden und der Konfliktparteien erhalten», sagte UNO-Nothilfe-Experte Jan Egeland. «Aber wir hoffen, dass sich das morgen (Mittwoch) ändert.»

Priorität habe Hilfe für die geteilte Stadt Aleppo, in deren von Rebellen kontrollierten Ostteil bis zu 300’000 Menschen eingeschlossen sind, sagte Swanson. Seit mehr als zwei Monaten habe OCHA Aleppo nicht erreichen können. Die Situation dort sei «nichts anderes als schrecklich».

«Im Fernsehen haben sie gesagt, dass es Hilfslieferungen geben wird», sagte ein Einwohner Aleppos. «Aber jetzt sind schon 20 Stunden vorbei und wir haben noch nichts bekommen.» Ähnlich äusserte sich ein Bewohner im Stadtviertel Ansari. «Die Waffenruhe ist gut, aber das reicht nicht. Wir brauchen etwas zu essen.»

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu hatte zuvor berichtet, 20 Lastwagen mit Hilfslieferungen der Vereinten Nationen für Aleppo hätten die türkisch-syrische Grenze passiert. Diese Informationen wurden jedoch von der UNO nicht bestätigt. Das syrische Aussenministerium hatte zuvor gewarnt, alle Hilfslieferungen mit Ziel Aleppo, vor allem aus der Türkei, müssten mit Damaskus koordiniert werden.

Waffenruhe stabil

Die Hilfslieferungen möglich machen soll eine neue Waffenruhe in Syrien. Die von Russland und den USA ausgehandelte Feuerpause war am Montagabend in Kraft getreten. Der UNO-Gesandte für Syrien, Staffan de Mistura, konstatierte am Dienstagabend einen «deutlichen Rückgang» der Gewalt. «Die Situation hat sich drastisch verbessert», erklärte er in Genf.

Nachdem es in den ersten Stunden am Montagabend noch einige Verletzungen der Waffenruhe gegeben hatte, sei es nach Mitternacht fast überall ruhig geblieben, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Gegen Mittag habe man einen Bruch der Waffenruhe im Süden der umkämpften Grossstadt Aleppo verzeichnet.

Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Die Menschenrechtsbeobachter, die in Grossbritannien sitzen und Informationen aus einem dichten Informanten-Netz in Syrien beziehen, bewerteten die Lage als «guten Beginn der Waffenruhe».

300’000 Menschen getötet

Es ist bereits der zweite Versuch der USA und Russland in diesem Jahr, eine Waffenruhe durchzusetzen. Bereits im Februar hatten sich die beiden Länder geeinigt, die Feuerpause hielt wie mehrere Anläufe zuvor jedoch nicht lange.

Im syrischen Bürgerkrieg wurden in den vergangenen fünfeinhalb Jahren laut Aktivisten mehr als 300’000 Menschen getötet. Unter den mehr als 86’000 toten Zivilisten seien auch über 10’000 Kinder.

Ein Kernpunkt der neuen Vereinbarung ist das Ende der Luftangriffe auf Rebellenstellungen. Moderate Gruppen sollen sich zudem von der mit Al-Kaida verknüpften Dschihadistenmiliz Fatah al-Scham zurückziehen. Neben Fatah-al-Scham darf auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) weiter bekämpft werden.

Russlands Aussenminister Sergej Lawrow drängte die USA am Dienstag, die Angriffe insbesondere auf Fatah al-Scham fortzusetzen. Die USA unterstützen im syrischen Bürgerkrieg vergleichsweise moderate Rebellen, die sich in Aleppo jedoch mit der Gruppe verbündet haben.

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