Himmlische Ruhe statt grüner Terror

Das schönste am Sommer waren die Gleisarbeiten der BVB in der Innerstadt: Presslufthammer statt kreischende Trams und vor allem freie Sicht aufs Rathaus. Sie haben es ja sicher auch gemerkt, haben es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen, haben sich vielleicht auch geärgert: Die Basler Verkehrsbetriebe sperrten wegen fälliger Gleisarbeiten den ganzen geschlagenen Juli lang […]

Ein Tram beim Marktplatz in Basel, aufgenommen im Juni 2004. (KEYSTONE/Urs Flueeler) The tramway near the Marktplatz square in Basle, Switzerland, pictured in June 2004. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Das schönste am Sommer waren die Gleisarbeiten der BVB in der Innerstadt: Presslufthammer statt kreischende Trams und vor allem freie Sicht aufs Rathaus.

Sie haben es ja sicher auch gemerkt, haben es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen, haben sich vielleicht auch geärgert: Die Basler Verkehrsbetriebe sperrten wegen fälliger Gleisarbeiten den ganzen geschlagenen Juli lang den Abschnitt zwischen Barfüsserplatz und Schifflände für sämtliche Tramlinien. Über die Verhältnismässigkeit, die Auswirkungen und den Frustfaktor dieser Massnahme kann man gut geteilter Meinung sein. Was mich betrifft, habe ich diese dreissigtägige Stillegung ehrlich gesagt als einen wahren Segen empfunden.

Warum? Nun, erstmals seit Urzeiten war es mir wieder mal vergönnt, am Marktplatz vor dem Café Schiesser zu sitzen und die prächtige Fassade des Rathauses in aller Ruhe zu betrachten und zu bewundern, ohne sie dauernd von einer klingelnden, zischenden und kreischenden grünen Wand endlos langer Tramzüge abgedeckt und zerstückelt zu sehen.

Der Marktplatz lag friedlich da und gehörte für einmal den Flaneuren, eine geradezu paradiesische Stille senkte sich über das Stadtzentrum, durchbrochen höchstens vom flatternden Flügelschlag der Tauben. Okay, hin und wieder war auch das Knattern eines Presslufthammers zu hören. Hat mich aber angesichts der erwähnten Vorteile nicht weiter gestört. Kurz: Ich habe den tramlosen Innerstadtjuli schamlos genossen.

«Es würde mich nicht wundern, wenn der Grosse Rat beschlösse, die BVB zum kulturellen Highlight unserer Stadt zu befördern.» 

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich schätze den öffentlichen Verkehr sehr; bin auch froh, bei Bedarf Tram und Bus in Basel benützen zu können. Nur beschleicht mich manchmal das ungute Gefühl, der Stellenwert der BVB in unserer Stadt sei unverhältnismässig hoch und wachse sich langsam aber sicher zum grünen Terror aus.

Diese lärmenden Tatzelwürmer, welche die Aeschenvorstadt vom Aeschenplatz bis zum Bankverein dauerverstopfen, sich am Barfi stauen, den Marktplatz monopolisieren und mit einer Selbstverständlichkeit und Selbstgerechtigkeit ohnegleichen Fussgängerstreifen blockieren, scheinen sich für die Hauptattraktion der Stadt zu halten. Sie mischen sich ungerührt in das gesellschaftliche Leben ein, drängen bei jeder Gelegenheit in den Vordergrund und übertönen sämtliche anderen Lebensäusserungen. Nur ein Beispiel: Em Bebbi sy Jazz. Da liefert sich manch flotte Dixielandband einen aussichtslosen Kampf mit den erbarmungslosen «jingling bells» der Endlosdrämmli.

Angesichts dieses geradezu hegemonialen Anspruchs würde es mich nicht wundern, wenn der Grosse Rat demnächst mal mit grosser Mehrheit beschlösse, die BVB heilig zu sprechen und zum kulturellen Highlight unserer Rheinstadt zu befördern.

«Ich bestelle einen Capuccino und schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich mich auf die nächste gleisreparaturbedingte Stilllegung freue.»

Nun, inzwischen sind die Gleisarbeiten in der Innerstadt abgeschlossen und die Tatzelwürmer haben wieder freie Kreischfahrt. Der grüne Terror ist zurück und hat uns erneut fest im Griff. Trotz des schönen Sommerwetters sitze ich jetzt nicht mehr vor dem Café Schiesser, sondern verziehe mich in den ersten Stock, wo die prächtige Fassade des Rathauses nur noch von den vorbeigleitenden Stromabnehmern zerschnitten wird und das Dauergeklingel einigermassen abgedämpft in den Raum dringt.

Ich bestelle einen Capuccino und schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich mich auf die nächste gleisreparaturbedingte Stilllegung freue. Die damit verbundene gelegentliche Presslufthämmerei nehme ich als angemessene Gegenleistung für die wohltuende Entschleunigung und die freie Sicht wenn nicht aufs Mittelmeer, so doch auf den bunten Märt und das altehrwürdige Rathaus gern in Kauf.

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Tramgeplagten, aber baulärmtoleranten Geistern empfehlen wir, ihren Kaffee noch bis 28. Oktober an der Klybeckstrasse zu trinken.

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