In Deutschland und Frankreich haben zahlreiche Menschen der 150 Toten des abgestürzten Germanwings-Fluges gedacht. Wenige Kilometer von der Unglücksstelle entfernt kamen Anwohner am Samstag in der Kathedrale der französischen Gemeinde Digne-les-Bains zusammen.
Vor dem Altar brannten 150 Kerzen zur Erinnerung an die Opfer. In den deutschen Städten Meerbusch und Wuppertal kamen am Samstagmorgen Hunderte Menschen zusammen, um den Angehörigen der Opfer beizustehen. Hinterbliebene der verunglückten Germanwings-Passagiere baten die Medien um Zurückhaltung, um ungestört und in Ruhe trauern zu können.
Im westfälischen Haltern, wo um insgesamt 18 Opfer getrauert wird, soll es am Mittwoch (1. April) einen öffentlichen Gottesdienst geben. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des örtlichen Gymnasiums waren bei dem Absturz der Germanwings-Maschine ums Leben gekommen.
Im Kölner Dom soll am 17. April mit einem Gottesdienst und einem staatlichen Trauerakt der Opfer des Flugzeugabsturzes vom Dienstag gedacht werden. Erwartet werden dazu neben dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel auch Vertreter aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern, aus denen die Opfer der Flugkatastrophe stammen.
Psychosomatische Erkrankung?
Derweil gab es neue Spekulationen um den Gesundheitszustand des 27-jährigen Copiloten. Eine offizielle Bestätigung dafür fehlte aber weiterhin.
Nach einem Bericht der «Welt am Sonntag» fanden die Ermittler Belege für eine schwere «psychosomatische Erkrankung» des Copiloten. Der 27-Jährige sei «von mehreren Neurologen und Psychiatern behandelt worden», zitierte die Zeitung einen ranghohen Fahnder. Der Copilot habe an einem «starken subjektiven Überlastungssyndrom» gelitten.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Germanwings-Copiloten in Düsseldorf hätten die Beamten eine Vielzahl von Medikamenten zur Behandlung der psychischen Erkrankung sichergestellt. Hinweise auf Rauschmittel oder eine Abhängigkeit von Drogen und Alkohol gebe es nicht. «Bild am Sonntag» berichtete, der Copilot habe sich wegen Sehstörungen in ärztliche Behandlung begeben, die seine Flugtauglichkeit gefährdet hätten.
Die Germanwings-Maschine mit 150 Menschen an Bord war am Dienstag in den französischen Alpen an einer Felswand zerschellt. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler wurde der Absturz vom Copiloten bewusst herbeigeführt. Er war – auch für den Tag des Fluges – eigentlich krank geschrieben. Offiziell gab es bislang keine Angaben zur Art der Erkrankung.
Einsicht in Personalakte
Die «Persönlichkeit» des Copiloten sei eine «ernsthafte Spur» in den Ermittlungen, aber nicht die einzige, sagte der Leiter einer französischen Gendarmerie-Delegation bei der Polizei in Düsseldorf, Jean-Pierre Michel, der Nachrichtenagentur AFP.
Das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig überprüfte nach Angaben seines Sprechers die Personalakte des Germanwings-Copiloten. «Wir haben Einsicht in die Unterlagen genommen und die Erkenntnisse mündlich an die Staatsanwaltschaft gegeben», sagte Holger Kasperski der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Mehr gibt es dazu aktuell nicht zu sagen», fügte er hinzu. Andernfalls seien die Ermittlungen gefährdet.
Als Jugendlicher in Absturzgegend
Der Copilot soll die Absturzgegend in den französischen Alpen seit seiner Jugend gekannt haben. Er sei mit seinen Eltern dorthin gekommen, berichtete Francis Kefer vom Flugfeld in Sisteron am Samstag dem französischen Sender iTele. Diese hätten zwischen 1996 und 2003 mit ihrem Segelflugclub aus Montabaur Flüge in der Gegend unternommen.
Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle. Er selbst habe die Familie dort nie getroffen, doch deren Aufenthalte seien im Club allgemein bekannt, sagte Kefer der Deutschen Presse-Agentur am Samstag.
Genauere Erkenntnisse über das Geschehen im Cockpit vor dem Absturz erhoffen sich die Fachleute vor allem vom zweiten Flugschreiber, der immer noch am Absturzort gesucht wird. Dort sichern Bergungskräfte auch die sterblichen Überreste der Opfer des Absturzes. Rechtsmediziner arbeiten an der Identifizierung derer, die schon ins Tal gebracht wurden.
In grossen deutschen Tageszeitungen bekundeten die Lufthansa und ihre Tochter Germanwings den Hinterbliebenen der Absturzopfer ihre Anteilnahme mit ganzseitigen Anzeigen. Der Lufthansa-Konzern will den Angehörigen der Opfer zudem eine Soforthilfe von bis zu 50’000 Euro pro Passagier zahlen, wie eine Lufthansa-Sprecherin einen «Tagesspiegel»-Bericht bestätigte.