Das erste Urteil nach der tödlichen Gruppenvergewaltigung einer 23-jährigen Inderin ist gefallen. Der inzwischen 18-Jährige erhält die höchstmögliche Strafe: Er muss drei Jahre in Haft. Die Eltern des Opfers reagierten empört über das aus ihrer Sicht zu milde Urteil.
Dem damals 17-Jährigen wurde vorgeworfen, die Studentin zusammen mit anderen Männern in einem Bus entführt, vergewaltigt und ermordet zu haben. Er hatte erklärt, unschuldig zu sein.
Das Jugendgericht sprach den jungen Mann jedoch in 6 von 13 Anklagepunkten schuldig, darunter Mord, Gruppenvergewaltigung, Vernichtung von Beweismaterial und Verabredung zur kriminellen Handlung. Das berichtete der Anwalt der Familie des Opfers am Samstag.
Die Eltern des Opfers reagierten empört über die dreijährige Haftstrafe und kündigten an, das Urteil anzufechten. Dieses sende ein falsches Signal an andere potenzielle jugendliche Täter.
«Wenn er (der Jugendliche) die Tat eines Erwachsenen begangen hat, dann sollte er auch wie ein Erwachsender behandelt werden», sagte die Mutter vor dem Gerichtsgebäude. «Wir wollen alle fünf Angeklagten hängen sehen.»
Das Urteil gegen den Jugendlichen war viermal verschoben worden. Anwälte wollten vorher höchstrichterlich klären lassen, ob alle Unter-18-Jährigen automatisch unter das Jugendstrafrecht fallen.
Vergangene Woche machte das Verfassungsgericht den Weg frei für den Urteilsspruch. Indien hat ein progressives Jugendstrafrecht, dass auch bei schwersten Delikten höchstens drei Jahre in einer Besserungsanstalt vorsieht.
Volljährigen Verdächtigen droht die Todesstrafe
Der Mordprozess gegen die volljährigen Verdächtigen vor einem Schnellgericht in Neu Delhi dauert noch an; dieses Urteil wird in den kommenden Tagen oder Wochen erwartet. Beobachter gehen davon aus, dass die Männer die Todesstrafe erhalten werden.
Ein weiterer mutmasslicher Täter wurde im März erhängt in seiner Gefängniszelle aufgefunden. Die Behörden sprachen von Selbstmord, seine Familie und sein Anwalt hingegen behaupteten, es sei Mord gewesen.
Brutale Tat löste im ganzen Land Proteste aus
Die Vergewaltigung hatte weltweit für Aufsehen gesorgt, in ganz Indien Proteste ausgelöst und ein Schlaglicht auf die im Land grassierende Gewalt gegen Frauen geworfen.
Die Regierung verschärfte die Gesetze für Sexualstraftaten und versprach schnellere Gerichtsverfahren. Auch diskutierte erstmals ein grösserer Teil der Gesellschaft über Frauenfeindlichkeit und weibliche Rollenbilder im Land.
Viele Demonstranten forderten bei den zahlreichen Protesten den Strang für alle Vergewaltiger, auch den Jugendlichen der Gruppe, der sich laut Staatsanwaltschaft gleichermassen schuldig gemacht hat. In Indien können Gerichte nur bei erwachsenen Tätern in Ausnahmefällen die Todesstrafe verhängen.
Der Jugendliche hatte nach Polizeiangaben am Abend des 16. Dezember die junge Frau und ihren Begleiter an einer Haltestelle in den Bus gelockt, indem er vorgab, ein Fahrkartenverkäufer zu sein. Als sich die Türen geschlossen hatten, fielen die Täter über das Pärchen her.
Sie schlugen laut Anklage den Freund des Mädchens mit einer Eisenstange nieder und benutzten eine zweite Stange, um sie zu malträtieren. Danach wurden die beiden nackt aus dem Bus geworfen. Zwei Wochen später starb die Physiotherapie-Studentin an ihren inneren Verletzungen.