Nach dem Nein zu den Spar- und Reformvorschlägen der Troika hoffen die Griechen nun, dass es trotzdem mit dem Euro weitergeht. Ein Stimmungsbericht der Basler SP-Grossrätin Sibylle Benz aus Thessaloniki.
Alles wartet, alles steht still. Kalamaria ist ein guter Wohnort in der Millionenmetropole Thessaloniki, so ähnlich wie das Gellert oder Seltisberg. Wenigstens hier, in diesem gutbürgerlichen Wohnviertel, so möchte man meinen, sind die Menschen enttäuscht über das Nein zu den Spar- und Reformvorschlägen der internationalen Geldgeber vom vergangenen Sonntag.
Aber weit gefehlt. Man ist stolz auf das Nein. Eine Gesprächspartnerin ging sogar so weit, das Abstimmungsresultat mit dem grossen historischen «Nein» gegen den Einmarsch von Mussolinis faschistischen Truppen zu vergleichen – ein Tag, der jedes Jahr als nationales Erinnerungsfest begangen wird.
Das Ergebnis der Volksabstimmung vom vergangenen Sonntag wird in Griechenland als patriotisches Nein, als «Nein der Würde» erlebt. Aber niemand weiss, was jetzt kommt.
Das ewige Warten ist fast nicht mehr auszuhalten.
In der Stadt ist es ganz ruhig, das Leben scheint stillzustehen. Die Menschen gehen aber davon aus, dass jetzt endlich eine Entscheidung zwischen Brüssel und Athen die Situation zum Besseren wenden wird.
Das ewige Warten ist fast nicht mehr auszuhalten.
Immerhin hat sich aber innenpolitisch die Stimmung verändert. Es gibt seit heute ein von allen Parteipräsidenten unterzeichnetes Papier, das Ministerpräsident Alexis Tsipras zusichert, dass man zu einer Verständigung, so sie dann komme, auch tatsächlich Ja sagen werde. Da diese Verständigung zwischen den verschiedenen Parteien von Regierung und Opposition nicht selbstverständlich ist, liegt darin möglicherweise ein Schlüssel für die Verhandlungen vom heutigen Dienstag.
Allerdings werden beide Seiten Schritte machen müssen. Vor fünf Jahren haben die Institutionen angefangen, dem griechischen Staatshaushalt eine Spar- und Steuererhöhungspolitik aufzuzwingen, von der immer klar war, dass sie nicht funktionieren kann: Die wirtschaftliche Produktivität wächst nicht, sondern sie schrumpft, wenn man einem Wirtschaftskreislauf das Geld entzieht.
Diese einfache Regel kennt jede Schülerin und jeder Schüler. Ein bisschen besser wird man es schon machen müssen. Griechenland wartet.