Bei der von den Reformern mit grossen Hoffnungen verbundenen Parlamentswahl im Iran zeichnet sich eine hohe Beteiligung ab. Augenzeugen berichteten von Schlangen vor vielen Wahllokalen in der Hauptstadt Teheran.
Auch der Sprecher des Innenministeriums, Mohammed-Hussein Moghimi, sprach von einer hohen Beteiligung. Landesweit habe es keine Unregelmässigkeiten oder Zwischenfälle gegeben.
Wegen des Andrangs blieben die Wahllokale zwei Stunden länger geöffnet als geplant. Eigentlich sollte die Stimmabgabe um 18 Uhr Ortszeit (15.30 Uhr MEZ) enden, die Wähler durften ihre Stimmen aber bis 20 Uhr abgeben.
Neben dem Parlament wurden auch die 88 Mitglieder des Expertenrats gewählt, der sowohl über die Ernennung als auch die Abwahl des obersten Führers des Irans bestimmt.
Zuversichtlicher Ruhani
Präsident Hassan Ruhani zeigte sich nach der Stimmabgabe im Innenministerium zufrieden mit dem Ablauf. Der Spitzenkandidat der Reformer, Mohammed-Resa Aref, sagte in Teheran: «Wir könnten heute die 70-Prozent-Marke knacken.»
Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Reformer nach dem Sieg Ruhanis bei der Präsidentenwahl 2013 nun im Parlament die zwölfjährige Dominanz der Koalition aus Konservativen und Hardlinern beenden könnten.
Der Spitzenkandidat der Konservativen und Hardliner, Gholam-Ali Hadad-Adel, bezeichnete die Wahl als «ein Fest der religiösen Demokratie», die die Einheit des Landes widerspiegele. Er sei zuversichtlich, dass das Wahlergebnis zugunsten der revolutionären Kräfte ausgehen werde.
Richtungswahl
Einige Beobachter werten die Wahl als ein Referendum für oder gegen Ruhanis Kurs. Neben den neuen Mehrheitsverhältnissen im Parlament sei es politisch auch sehr wichtig, wer von den beiden Spitzenkandidaten die meisten Stimmen bekommt.
Die Abstimmung gilt als erster Stimmungstest nach dem Mitte Juli zwischen Teheran und dem Westen geschlossenen Atomabkommen und der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen im Januar. Um die 290 Parlamentssitze bewerben sich mehr als 4800 Kandidaten, darunter knapp 500 Frauen.
Der konservative Wächterrat hatte von den ursprünglich mehr als 12’000 Kandidaten aber rund 60 Prozent ausgeschlossen. Vom Ausschluss waren vor allem Kandidaten aus dem Lager der Reformer betroffen. Die verbliebenen Kandidaten aus diesem Lager verbündeten sich mit den Moderaten und gründeten die Liste «Hoffnung».
Schwierige Prognosen
Wahlberechtigt sind fast 55 Millionen Bürger landesweit, darunter 8,5 Millionen in der Hauptstadt Teheran. Das Ministerium rechnet für Samstag mit ersten belastbaren Ergebnissen.
Bei Wahlen im Iran ist es kaum möglich, Prognosen abzugeben. Die Konservativen sind traditionell in ländlichen Gebieten stark. Reformer erfahren in Städten grösseren Rückhalt. Selbst wenn Ruhani im Parlament künftig weniger Gegner haben sollte, wäre der Einfluss der Konservativen dank Chamenei, der Justiz oder des Wächterrats weiter gross. So müssen die zwölf Mitglieder des Wächterrats jedes Gesetz billigen.