Mit abschätzigen Äusserungen über Richter und Staatsanwälte hat der französische Präsident François Hollande einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Die beiden höchsten Juristen des Landes – der Präsident des Obersten Gerichtshofs und der Generalstaatsanwalt an diesem Gericht – warfen dem Sozialisten am Donnerstag eine «Demütigung» der Justiz vor.
In einem neuen Buch wird Hollande mit den Worten zitiert, die Justiz sei eine «Institution der Feigheit». «All diese Staatsanwälte, all diese hohen Richter verstecken sich, spielen die Tugendhaften (…). Die Justiz mag die Politik nicht.»
Frankreichs Oberster Richter Bertrand Louvel sagte dazu am Donnerstag, es sei nicht vertretbar, wenn der Staatschef sein Amt dazu nutze, «um bei den Franzosen ein so entwürdigendes Bild der Justiz zu verbreiten». Weil Hollande als Präsident auch der Garant der Unabhängigkeit der Justiz sei, stellten seine Äusserungen ein «institutionelles Problem dar».
«Angriff auf Glaubwürdigkeit der Justiz»
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten auch die Präsidenten und Generalstaatsanwälte von Frankreichs Berufungs- und Landgerichten die Äusserungen des Staatschefs. Es handle sich um einen «schweren Angriff auf die Glaubwürdigkeit» der Justiz und das Vertrauen, das die Bürger in die Justiz haben müssten.
Die Hollande-Äusserungen entstammen einem neuen Buch mit dem bezeichnenden Titel «Un président ne devrait pas dire ça…» (etwa: «Ein Präsident sollte so etwas nicht sagen…»). Das Buch beruht auf rund 60 Gesprächen, welche die französischen Journalisten Fabrice Lhomme und Gérard Davet von der Tageszeitung «Le Monde» mit dem Präsidenten geführt haben.
«Zu viele Migranten» – «Problem mit dem Islam»
Die Veröffentlichung des Buches hat wegen einer Reihe von Hollande-Zitaten für Aufregung gesorgt. So sagt der Präsident unter anderem, es kämen zu viele unerwünschte Migranten nach Frankreich und es gebe ein «Problem» mit dem Islam. Er prophezeit, dass ein von der Regierung unterstütztes Flughafenprojekt nie zustande kommen wird und kritisiert seinen konservativen Rivalen Nicolas Sarkozy mit scharfen Worten.
Die Äusserungen zur «Feigheit» von Staatsanwälten und Richtern sind aber besonders pikant. Denn eigentlich pflegte Hollande ein gutes Verhältnis zur Justiz – ganz anders als sein Vorgänger Sarkozy, dem immer wieder eine Einmischung in die Justiz vorgeworfen wurde, der in zahlreiche Affären verstrickt ist und Richter und Staatsanwälte in seiner Zeit als Präsident einmal mit «Erbsen ohne Geschmack» verglich.
Zorn auch nach Treffen nicht verraucht
Der Elysée-Palast versuchte umgehend die Wogen zu glätten, die Hollandes Äusserungen provoziert hatten. Der Präsident habe immer die Unabhängigkeit der Justiz geachtet und seinen «Respekt» vor der Justiz deutlich gemacht.
Hollande empfing am Mittwochabend die beiden höchsten Juristen des Landes – konnte ihren Zorn aber offenbar nicht besänftigen. Am Donnerstag verurteilten sie Hollandes Worte scharf.
Das Buch hat aber noch aus einem anderen Grund für Wirbel gesorgt: Es zeigt einmal mehr, wie viel Zeit Hollande mit Journalisten verbringt. Schon im Sommer war ein Buch über Hollande erschienen, das auf dutzenden Gesprächen des Präsidenten mit Journalisten fusst.
Die konservative Präsidentschaftsanwärterin Nathalie Kosciusko-Morizet fragte angesichts des neuen Buches: «Wann arbeitet er eigentlich?» Auch die Parteichefin des rechtsnationalistischen Front National, Marine Le Pen, kritisierte: «Man fragt sich, wie der Präsident so viel Zeit für Journalisten findet.»