Frankreichs Sozialisten stehen bei der Kür ihres Präsidentschaftskandidaten vor einer Richtungsentscheidung: Bei der ersten Runde der Präsidentschaftsvorwahl setzte sich am Sonntag der Parteilinke Benoît Hamon überraschend an die Spitze.
Er tritt damit in der Stichwahl gegen Ex-Premierminister Manuel Valls vom konservativen Parteiflügel an, der auf Platz zwei kam. Der zunächst als Aussenseiter gehandelte Ex-Bildungsminister Hamon erhielt nach Teilergebnissen gut 36 Prozent der Stimmen.
Nach Auszählung von 1,33 Millionen Wahlzetteln, über die Hälfte der Stimmen, erhielt Hamon 36,3 Prozent, Valls kam auf 31,1 Prozent. Die anderen fünf Kandidaten lagen weit abgeschlagen dahinter. Amtsinhaber François Hollande tritt nicht mehr an.
Die beiden Gewinner der ersten Runde gaben sich mit Blick auf die Stichwahl am 29. Januar kämpferisch. Hamon nannte sein gutes Abschneiden «eine klare Botschaft der Hoffnung und der Erneuerung» der Sozialistischen Partei (PS). Valls sagte, er stehe für die «verantwortliche Linke». Er übte erneut scharfe Kritik an den «unerfüllbaren Versprechen» Hamons.
Bedingungsloses Grundeinkommen
Der 49-Jährige tritt unter anderem für ein bedingungsloses Grundeinkommen von 750 Euro für alle Franzosen ein. Zudem will Hamon den Cannabis-Konsum legalisieren, 37’000 neue Lehrerstellen schaffen und die im vergangenen Jahr verabschiedete Liberalisierung des Arbeitsrechts wieder abschaffen.
Hamon gehört zu den zahlreichen Sozialisten, die sich enttäuscht von Staatschef Hollande abgewandt haben. Er gehörte der Regierung bis zum Sommer 2014 an und schied dann aus Protest über die Entlassung von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg aus. Auch Montebourg nahm an der Vorwahl teil, schied aber mit nur 17,5 Prozent aus. Er kündigte an, in der Stichwahl Hamon zu unterstützen.
An der ersten Runde der Vorwahl im linken Lager beteiligten sich nach Angaben der Wahlkommission 1,5 bis zwei Millionen Menschen. Das waren weniger als bei der Vorwahl der Sozialisten im Jahr 2011 mit 2,7 Millionen Teilnehmern. Die oppositionellen Konservativen konnten im November sogar mehr als vier Millionen Bürger pro Runde mobilisieren.
Geschwächt und zerstritten
Die Sozialisten sind nach der fünfjährigen Amtszeit von Präsident François Hollande geschwächt und zerstritten. Der 54-jährige Valls hatte den unpopulären Hollande zum Verzicht gedrängt, um selbst zu kandidieren.
Zur Wahl standen insgesamt sieben Kandidaten – vier sozialistische Parteimitglieder und drei weitere, die kleineren linken Formationen angehören. Die Vorwahl steht allen Bürgern offen, die in die Wählerverzeichnisse eingetragen sind.
Parteichef Jean-Christophe Cambadélis rief die Bürger auf, sich massiv an der zweiten Runde am 29. Januar zu beteiligen. Er wehrte sich gegen die Darstellung, die Sozialistische Partei spiele keine Rolle mehr. «Die Präsidentschaftswahl ist noch nicht entschieden», betonte Cambadélis.
Umfragen zufolge hat der Kandidat der Sozialisten allerdings keine Chancen auf einen Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr. Im Mai wird eine Stichwahl zwischen dem Konservativen François Fillon und der Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, erwartet.