Einen zwiespältigen Eindruck hat die Hauptbeschuldigte im Mordprozess vor dem Bezirksgericht Horgen ZH am Dienstagvormittag hinterlassen. Authentischer wirkte die zweite Beschuldigte. Der mehrtägige Prozess hat mit der Befragung der beiden Frauen begonnen.
Sie habe «ein wunderbares Leben» gehabt, bis sie ihren letzten Freund kennengelernt habe, sagte die 30-jährige Gesundheitsfachfrau. Dies stand in diametralem Widerspruch zu Aussagen, die sie im Ermittlungsverfahren gemacht hatte.
Damals hatte sie sich als «schwer unter elterlichem Druck stehend» beschrieben. Sie sei das «schwarze Schaf» der Familie gewesen. Den Umschwung erklärte sie damit, dass sie nicht mehr lügen wolle. Sie habe «auf die Mitleidstour» gemacht und erfundene Geschichten erzählt. Das wolle sie nicht mehr.
Gemäss ihrer Schilderung entstand dann aber das Bild einer Frau, die ihr Leben nicht in den Griff bekam. Trotz Ausbildung und Anstellungen schlitterte sie von einer misslichen Situation in die nächste. Die meiste Zeit, auch als Berufstätige, lebte sie bei ihren Eltern. Schon in der Ausbildung bekam sie einen Sohn, der bei ihren Eltern aufwuchs und auch heute dort lebt. Im Gefängnis gebar sie einen zweiten Sohn, der heute in einem Kinderheim lebt.
Immer wieder erweckte das Aussageverhalten der Frau Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Schilderungen. So etwa, wenn sie erklärte, sie habe ihren eigenen Schmuck verkauft, und jetzt werde ihr vorgeworfen, sie habe diesen gestohlen.
Chaotisches Leben
Die zweite Beschuldigte, eine 26-Jährige ohne Ausbildung, die zuletzt als Kiosk-Verkäuferin gearbeitet hatte, wirkte authentischer. Gemäss ihren Schilderungen war ihr Leben ein einziges Chaos, in dem Gewalt und sexuelle Übergriffe immer wieder eine Rolle spielten.
Die junge Frau befindet sich bereits im vorgezogenen Strafvollzug und absolviert eine Therapie. Dort werde unter anderem auch das Delikt aufgearbeitet, sagte sie. In verschiedenen Punkten widersprach sie den Aussagen ihrer Mitbeschuldigten, die sie früher sehr bewundert hatte. Heute sei sie «sehr enttäuscht, dass sie alles auf mich abwälzen will».
Eventualvorsätzliche oder fahrlässige Tötung
Den Frauen wird vorgeworfen, in der Nacht auf den 10. November 2013 im Alterszentrum, in dem die Ältere als Nachtwache arbeitete, in die Wohnung einer 88-jährigen Frau eingedrungen zu sein.
Laut Staatsanwaltschaft drückten sie der Schlafenden einen mit Salmiakgeist getränkten Lappen über Nase und Mund, worauf sie erstickte. Mit Bargeld, Schmuck und einer Bankkarte verliessen sie die Wohnung.
Die Anklage lautet auf Mord und Raub, eventuell fahrlässige Tötung und Raub. Das Gericht hat die Frage zu klären, ob die beiden Frauen den Tod der betagten Frau zumindest in Kauf nahmen. Damit läge eine eventualvorsätzliche Tötung vor. Zusammen mit besonderer Heimtücke und Skrupellosigkeit des Tatvorgehens könnte die Tat als Mord beurteilt werden.
Am Nachmittag geht die Befragung der beiden Frauen weiter. Nach den Fragen zur Person wird es um die Tat gehen. Am Mittwoch werden Ärzte aussagen, am Freitag der Gerichtspsychiater. Die Plädoyers von Anklage und Verteidigung stehen nächste Woche an. Das Urteil wird am 27. November eröffnet.