Monis Ferien gehen zu Ende – wir wandern um die Elan-Stauseen und beschliessen, London anzusehen.
Weitergehen? Llanddrindod – Builth Road – Builth Wells – Cardiff? Statt geradeaus südwärts zu wandern, sind wir nach Rhayader gefahren, mit leichtem Rucksack, ins Eland Valley hineinspaziert, plaudernd, haben uns Dinge erzählt, uns überlegt, warum es in Grossbritannien billiger ist, ein Auto zu mieten als im Zug umherzufahren. Wir beschlossen, zu Monis Abschied mit dem Mietwagen nach London zu fahren. Statt in privatisierten, engen, unbequemen und unpünktlichen Zügen. Politisch wohl nicht unbedingt korrekt.
Wer hat jetzt eigentlich von dieser Privatisierung profitiert? fragten wir uns beim Wandern. Die Kunden – nein, sie nicht. Der öffentliche Verkehr dient ihnen nicht. In Chester fuhren wie während unseres Aufenthalts mit drei verschiedenen Bus-Gesellschaften die Strecke von der Unterkunft in die Stadt. Zahlten dreimal unterschiedliche Preise. Nützt es den Einheimischen, drei unterschiedliche Angebote zu haben? Sie wollen doch einfach in die Stadt. Die Chauffeure wissen zudem nicht einmal von den anderen Gesellschaften – woher sie kommen, wo genau sie hinfahren. Den Kunden nützt die Privatisierung nicht. Den Besitzern? Kaum – nicht vorstellbar, dass mit solchen Linien, mit solchen Bussen, aber auch mit solchen Zügen sehr viel Geld zu verdienen ist. Wem also dient die Privatisierung? Ja natürlich: Der entlasteten Staatskasse, dem Steuerzahler also – dem Gutbetuchten vor allem, der entlastet wird. Letztlich wohl einfach ein ideologischer Entscheid, von dem nur wenige profotieren und unter dem die Öffentlichkeit vor allem eines tut – nämlich leiden.
Trinkwasser für englische Städte
Solcherlei Dinge erörternd und im Wissen, dass die ganze Sache wohl komplizierter sei, wanderten wir um die Elan-Stauseen – seltsam alte Mauern ohne erkennbare Turbinen-Anlagen, Stauseen auf drei Stufen – alle in einer gebirgigen Landschaft, in der Höhe kahle Berge, dem Wasser entlang märchenhafte Wälder. Die Staumauern haben mich fasziniert: schlichte Steinmauern, hinter welchen sich das Wasser sammelt. Ein Visitor Center kam uns gelegen, wir reihten uns in die Schlangen staunender Rentner ein und – tatsächlich – wir staunten auch: Die Seen wurden, was uns der Rundgang durchs Museum anschaulich zeigte wir aber fast nicht glauben konnten, tatsächlich um achtzehnhundertneunzig gebaut. Aber nicht, um Strom zu erzeugen, sondern um das hundertzwanzig Kilometer entfernte Birmingham mit Trinkwasser zu versorgen.
Wir kehrten zurück nach Llandrindod machen zwischendurch einen Halt in Rhayader. Ein wartender Zug im Bahnhof weckt nochmals die Diskussion, ob wir nicht doch das Auto bereits zurückgeben sollten an der nächstgelegenen Avis-Station. Doch nein, wir verspürten sehr stark der Wunsch, sofort weiterzugehen, weg aus diesem hügligen, regnerischen Wales, wo die Leute ihrem Alltag nachgehen, sich wie wir auf das Pint am Abend freuen aber sonst offenbar auf nicht sehr viel: Hügel, Hügel, Regen, Pint, graue Häuser und Hügel.
Oxford, Woodstock
Mit guten Wünschen und vielen Tipps des B&B-Hausvaters von letzter Nacht, der mich nochmals fragte, ob ich nach unserem Ausflug nach London tatsächlich zurückkehren würde, um zu Fuss an die Küste zu gehen, machten wir uns auf den Weg. Kurvig die Strasse nach Bristol, die rotierenden Scheibenwischer hielten die Sicht klar – und auf der Höhe von Oxford plötzlich der Wunsch, die Universitätsstadt zu sehen. Soviel Gelehrtheit, aber auch Abgehobenheit umweht diese alten Gebäude, die Gassen. Vor allem aber: Wieder einmal eine Stadt, wieder einmal belebte Strassen, Läden, Buchhandlungen statt nackter Hügel. Und ein kleiner Abstecher nach Woodstock – allein des Namens wegen –, das sich als Kleinst$dtchen entpuppt, in dem nun wirklich alles putzig ist. Ausser der Regen. Wir fahren weiter Richtung London durch die gepflegte, aber etwas eintönige Landschaft, unterteilt durch Hecken und Hecken, die sich bis weit hinauf nach Schottland gleichmässig über die ganze Insel ziehen, blühen und blühen und in mir den Wunsch wecken, irgendwann auf die Fähre zu steigen, die mich nach Frankreich bringen wird.
(Aldermaston, 22. Mai 2002)