Human Brain Project kehrt Lausanne überraschend den Rücken zu

Das Zentrum des prestigeträchtigen Human Brain Project wird überraschend nicht in einem Gebäude bei der ETH Lausanne (EPFL) untergebracht, sondern im ehemaligen Sitz von Merck Serono in Genf. Damit soll das Projekt schneller in Gang gebracht werden. Im Kanton Waadt stösst dies auf Unmut.

Der Koordinator des Human Brain Project: Henry Markram (Bild: sda)

Das Zentrum des prestigeträchtigen Human Brain Project wird überraschend nicht in einem Gebäude bei der ETH Lausanne (EPFL) untergebracht, sondern im ehemaligen Sitz von Merck Serono in Genf. Damit soll das Projekt schneller in Gang gebracht werden. Im Kanton Waadt stösst dies auf Unmut.

Ab Anfang 2014 sollen rund 200 Forschende von der EPFL in Lausanne auf den Biotech-Campus am Standort Sécheron vor den Toren der Stadt Genf umziehen. Das Gebäude war im Mai 2013 von den Milliardären Ernesto Bertarelli und Hansjörg Wyss Merck Serono abgekauft worden.

Der Pharmakonzern hatte zuvor die Schliessung des Standorts Genf und die Entlassung der 1250 Angestellten angekündigt. Beim Kauf kündigten Bertarelli und Wyss an, ein Forschungszentrum für Gesundheit, Biotechnologie und Life Sciences errichten zu wollen.

«Wir gewinnen drei bis vier Jahre»

Der Entscheid, nach Genf zu gehen, komme hauptsächlich von der Direktion der EPFL und des Human Brain Project (HBP), sagte Jérôme Grosse, Mediensprecher der EPFL, auf Anfrage. Er sei getroffen worden, damit das Projekt so schnell wie möglich in Gang komme.

«Wir gewinnen drei bis vier Jahre» mit dem Umzug auf den Biotech-Campus. Die Lokalitäten stünden bereit, hingegen müsste in Lausanne zuerst das Gebäude Neuropolis gebaut werden.

Waadt zieht Kreditantrag zurück

«Die Waadtländer Regierung nimmt den Entscheid zur Kenntnis», sagte Staatsrat Pascal Broulis (FDP). Die EPFL spare somit 30 Millionen Franken, die sie zu Neuropolis hätte beitragen müssen, sagt Broulis und erinnerte, wie sehr sich der Kanton für das Projekt eingesetzt habe.

Das HBP zähle zum Legislaturprogramm der Regierung und habe Leuchtkraft für den Kanton. Der Kanton Waadt habe der EPFL denn auch andere Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, um einen raschen Start des Projekts zu ermöglichen.

Nun steht für den Kanton Waadt der Bau des Neuropolis-Gebäudes in Lausanne nicht mehr auf der Tagesordnung. Die Regierung zieht den Kreditantrag beim Grossen Rat zurück. Die Waadt hätte 35 Millionen Franken an das auf 100 Millionen Franken veranschlagte Gebäude beigesteuert.

Genf übernimmt Mietkosten

Zu Beginn der Diskussionen um Neuropolis sei die Verfügbarkeit des Biotech-Campus nicht vorhersehbar gewesen, schreibt dazu die EPFL. Der nicht mehr benötigte Baukredit der EPFL soll für die Finanzierung von Lehr- und Forschungsinfrastruktur genutzt werden.

Der Kanton Genf lässt sich die Neuansiedlung des HBP etwas kosten und übernimmt die Miete. Diese wird auf jährlich eine Million Franken während dreissig Jahren geschätzt. Zusätzlich will Genf 5 Millionen Franken zur Verfügung stellen.

Damit könnten auf einem Grossteil des Industriekomplexes Sécheron wieder hochwertige Arbeitsplätze angesiedelt werden, heisst es in der Medienmitteilung. In Lausanne verbleiben die medizinische Forschung am Universitätsspital (CHUV) und das Programm für rechnergestützte Biologie.

Simulation des menschlichen Gehirns

Das Human Brain Project wurde am 28. Januar von der EU zum «Flagship»-Projekt erkoren. Die EU sprach dafür eine halbe Milliarde Euro aus Brüssel. Den gleichen Betrag sollen die Staaten der über 135 europäischen Forschungsanstalten sowie die Wirtschaft beisteuern.

Das Budget des gesamten HBP beläuft sich auf 1,2 Milliarden Euro. Das Projekt hat zum Ziel, das menschliche Gehirn durch neuartige Supercomputer bis ins Detail zu simulieren. Der Startschuss erfolgte Anfang Oktober.

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