Humanitäre Fragen müssen in den Friedensgesprächen vom politischen Prozess abgekoppelt werden. Dieser Meinung ist der syrische Arzt Tawfik Chamaa. Das Humanitäre könne nicht auf eine politische Lösung warten, sagte Chamaa am Rande der Genfer Friedensverhandlungen.
«Die humanitäre Frage kann nicht länger warten. Frauen und Kinder sterben in den eingekesselten Städten an Hunger und an anderen Orten im Bombenhagel», sagte Chamaa, Sprecher der Syrischen Vereinigung Medizinischer Hilfsorganisationen, am Donnerstag zur Nachrichtenagentur sda. Allein am Mittwoch seien bei Bombardierungen auf Aleppo 68 Menschen gestorben.
Chamaa kritisiert, dass humanitäre Belange als Druckmittel benutzt würden, um politische Vorteile zu erlangen. Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi habe zu Beginn der Genfer Konferenz vorgeschlagen, sich zuerst humanitären Fragen zuzuwenden. Das syrische Regime habe allerdings darauf beharrt, zuerst die politischen Themen abzuhandeln.
Humanitäres als Geisel
«Das Humanitäre wird vom Politischen als Geisel genommen», sagt Chamaa. Er fordert, die beiden Fragen zu trennen. Alle Parteien müssten humanitäre Korridore und vorübergehende Waffenruhen respektieren. «Dies verlangt das Internationale Recht.»
Die Versprechungen des Regimes, Hilfsgüter-Konvois zu den Frauen und Kindern in Rebellenvierteln in Homs durchzulassen, sei noch nicht eingelöst worden. Chamaa zeigte sich denn auch wenig zuversichtlich, dass die Konferenz Genf II viel zur Lösung beitragen könnte. «Man dreht sich im Kreis.»
Die Syrische Vereinigung Medizinischer Hilfsorganisationen beschäftigt 800 Ärzte und Sanitäter in den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten des Landes. Chamaa beschreibt die Lage dort als «Alptraum». So mangle es etwa an Medikamenten für die rund 300’000 Verletzten.
Im Jahr 2012 gab die in der Schweiz ansässige Nichtregierungsorganisation 25 Millionen Franken für medizinische Hilfe aus, 2013 in etwa das Dreifache. In diesem Jahr veranschlagt Chamaa 200 Millionen Franken. Unterstützt wird die Organisation von anderen Nichtregierungsorganisationen und westlichen Regierungen, so auch von der Schweiz.
Syrien-Verhandlungen vertagt
Ein Durchbruch ist den Syrien-Verhandlungen nicht beschieden. DieKonfliktgegner streiten sich über nahezu alles. Es sei ein Erfolg,dass sie weiter miteinander reden wollen, sagt der UNO-VermittlerLakhdar Brahimi.
Nahezu eine Woche nach Beginn der Verhandlungen zwischen den syrischen Bürgerkriegsparteien ist kein Durchbruch zu einer Friedensvereinbarung in Sicht. Vielmehr wurde am Donnerstag bei den Gesprächen am Genfer UNO-Sitz erneut deutlich, dass die Positionen weit voneinander entfernt sind, wie Delegierte und Diplomaten berichteten.
Nach Angaben von Syrien-Vermittler Brahimi soll die erste Verhandlungsrunde nach einem weiteren Treffen an diesem Freitag abgeschlossen werden. Bis dann seien «keine substanziellen Ergebnisse zu erwarten». Die Kluft zwischen den Konfliktgegnern sei immer noch sehr gross. «Es ist deshalb schon ein Erfolg an sich, dass sie weiter miteinander reden wollen.»
Nach einer «Auszeit» von etwa einer Woche sollen die Gespräche weitergehen. Vereinbart wurde, die Verhandlungen auf Grundlage des Fahrplans aus dem Jahr 2012 fortzusetzen. Ziele der damaligen Friedensinitiative waren ein Ende des Konflikts, ein Stopp der Kämpfe, das Zulassen von humanitärer Hilfe und die Bildung einer Übergangsregierung.