Hunderten Irakern ist am Freitag die Flucht aus der belagerten Stadt Falludscha gelungen. Es war nach irakischen Angaben die grösste Gruppe, die die seit Tagen umkämpfte Stadt verlassen konnte. Dort leben nach Schätzungen rund 50’000 Menschen.
«Unsere Streitkräfte haben 460 Leute evakuiert», sagte ein irakischer Polizeisprecher. Es habe sich hauptsächlich um Frauen und Kinder gehandelt. Wer die Flucht versucht, riskiert, von den Dschihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) getötet zu werden. Am Donnerstag hatte die UNO gesagt, seit Beginn der Offensive am Montag hätten 800 Menschen fliehen können.
Nach Angaben des Bagdader US-Militärsprechers Steve Warren haben US-Flugzeuge inzwischen Flugblätter abgeworfen, in denen Zivilisten aufgefordert werden, Gegenden mit IS-Präsenz zu meiden. Auf den Zetteln stehe, wer nicht fliehen könne, solle ein weisses Tuch auf seinem Hausdach anbringen.
«Die irakische Armee versucht, Fluchtwege zu schaffen. Die Regierung der Provinz Anbar hat Lager für Vertriebene errichtet», sagte Warren.
Die irakischen Streitkräfte haben Anfang dieser Woche eine Grossoffensive zur Rückeroberung der 50 Kilometer westlich der irakischen Hauptstadt Bagdad gelegenen Stadt Falludscha gestartet. Zwischen 500 und 1000 IS-Kämpfer kontrollieren derzeit die Stadt. Der US-Militärsprecher sagte, er könne nicht einschätzen, wie lange die Kämpfe in Falludscha noch andauern würden.
Kommandant getötet
Der Kommandant Maher al-Bilawi sei einer von rund 70 IS-Kämpfern, die vor zwei Tagen durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss getötet worden seien, sagte Warren am Freitag in Bagdad. Sein Tod werde nicht zu einem Ende der Kämpfe führen, doch sei es «ein Schlag».
«Es führt zu Verwirrung und bedeutet, dass der Vizekommandant aufrücken muss», sagte der US-Militärsprecher. Der Tod des Anführers ziehe Veränderungen in der Führungsebene der IS-Miliz nach sich.
Falludscha war Anfang 2014 von Gegnern der irakischen Regierung eingenommen worden und geriet später unter die Kontrolle der IS-Miliz. Die Dschihadisten hatten seit dem Sommer 2014 weite Gebiete nördlich und westlich von Bagdad in ihrer Gewalt, doch verloren sie in den vergangenen Monaten deutlich an Boden gegenüber der irakischen Armee. Falludscha ist neben Mossul die letzte Grossstadt in ihrer Hand.
UNO will Hilfsgüter abwerfen
Auf syrischer Seite wird die Stadt Rakka vom IS gehalten. In der gleichnamigen Provinz versucht eine kurdisch-arabische Allianz mit Unterstützung der USA, auf die Stadt vorzurücken. In der belagerten Stadt leben schätzungsweise 300’000 Menschen.
Unterdessen teilte UNO-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien mit, dass insgesamt 592’700 Syrer im Belagerungszustand leben müssen. Dies seien 75’000 Menschen mehr als bislang geschätzt, sagte er dem UNO-Sicherheitsrat. Er forderte, dass das Mittel der Belagerung und Aushungerung der Bevölkerung als Kriegswaffe «sofort aufhören» müsse.
Die UNO will ab dem 1. Juni Hilfsgüter aus der Luft abwerfen, nachdem ihr mehrfach der Zugang zu den belagerten Gebieten verweigert wurde. Auch zwischen den Frontlinien in der Region Aleppo und der türkischen Grenze sitzen laut Ärzte ohne Grenzen rund 100’000 Menschen fest.