Die Bergungsaktion nach dem schweren Schiffsunglück auf dem Jangtse-Fluss in Zentralchina ist ohne Erfolg verlaufen. Mehr als 400 Menschen blieben am Mittwoch vermisst.
Trotz einer grossen Bergungsaktion unter Leitung von Regierungschef Li Keqiang wurden bisher nur 14 Überlebende gefunden und erst rund zwei Dutzend Leichen geborgen, wie das Staatsfernsehen berichtete.
Am zweiten Tag nach der Katastrophe nahmen die Chancen, noch Überlebende zu finden, weiter ab. Es wäre damit die schlimmste Schiffskatastrophe in fast sieben Jahrzehnten in China, wie es im Staatsfernsehen hiess.
Zu den wenigen Überlebenden gehören neben dem Kapitän und dem ersten Ingenieur des Schiffes eine 65 Jahre alte Frau und ein 21 Jahre alter Mann, die in Luftblasen überlebten und von Tauchern mit Hilfe von Atemgeräten aus dem Wasser gerettet werden konnten.
Schwierige Bedingungen
Mehr als 4600 Helfer waren im Einsatz, darunter mehr als 200 Taucher. Ein Bergungsschiff mit einem Kran traf über Nacht am Unfallort bei Jianli in der Provinz Hubei ein. Ein weiteres wurde im Laufe des Tages erwartet. Beide sollen das Schiffswrack anheben, um die Bergungsarbeiten zu erleichtern.
Um den Wasserpegel für die Bergungsarbeiten zu verringern, wurde der Abfluss des Drei-Schluchten-Dammes weiter flussaufwärts gedrosselt.
Die Bergungsarbeiten sind aber schwierig. Die Sicht war wegen des trüben Wassers auch mit starken Scheinwerfern extrem schlecht, wie Verantwortliche erklärten. Heftige Strömung und niedrige Wassertemperaturen erschwerten die Suche. Vielfach konnten sich die Taucher nur tastend fortbewegen.
Premier Li Keqiang verneigte sich am Morgen in Trauer vor zwei mit weissen Tüchern zugedeckten Leichen auf einem Schiffsdeck. An Bord des Touristenschiffes, das am Montagabend in stürmischem Wetter gesunken war, waren nach jüngsten offiziellen Angaben 456 Menschen, darunter 405 Touristen – meist ältere Leute. Ausserdem waren fünf Reiseführer und 46 Besatzungsmitglieder auf dem «Stern des Orients» genannten Schiff.
Kapitän in Polizeigewahrsam
Der Kapitän und Chefingenieur überlebten und sind in Gewahrsam der Polizei. Beide beschrieben einen Tornado, der das Schiff in Schieflage und in «ein bis zwei Minuten» zum Kentern gebracht habe.
Das Wetteramt bestätigte, dass es zu der Zeit in dem Gebiet einen Tornado über 15 bis 20 Minuten gegeben habe. Gegen den Kapitän wurden bisher keine Vorwürfe erhoben, doch gibt es viele Fragen über den Unfall. Die Ermittlungen laufen.
Unklar war, warum das Schiff trotz des schlechten Wetters weiter gefahren ist. So hatte ein anderes Schiff, das zu gleichen Zeit den Hafen verlassen hatte, angesichts des Sturmes seine Fahrt bei Chibi gestoppt, wie die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» berichtete.
Auch hätten Satellitenaufnahmen gezeigt, dass das Unglücksschiff um 21.20 Uhr plötzlich eine scharfe Wendung gemacht habe, bevor es zehn Minuten später gesunken sei.
Vorwürfe von Angehörigen
Die Behörden verfolgen inzwischen eine restriktive Informationspolitik: Alle Medien wurden angewiesen, nur den Staatssender CCTV und die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua als Quelle zu nutzen. Der Zugang zur Unglücksstelle wurde blockiert.
Die Angehörigen der vermissten Insassen fühlen sich mit ihren Fragen zu dem Unglück allein gelassen. In Shanghai, von wo viele der Passagiere stammen, kam es kurzzeitig zu einem Handgemenge, als Polizisten die Verwandten am Zutritt zum Regierungssitz hinderten, wie auf Videoaufnahmen im Internet zu sehen war. Viele der Wartenden erhoben Vorwürfe gegen die Behörden.