Wer in Oxford das sehen will, was die ganzen Harry Potter-Filme versprechen, der hat schon verloren. Eine Anleitung wies besser geht.
Oxford – das ist Harry Potter. Wer hinfährt, muss sich mit dieser Assoziation abfinden, obwohl eingefleischte Fans natürlich wissen, das J.K. Rowling die Bücher in Edinburgh geschrieben hat und sich ihre Inspiration vielmehr im romantisch-zerklüfteten Süden Englands als bei den Brains im Landesinnern holte.
Die meisten Leute aber scheren sich nicht um solche Spitzfindigkeiten und so wird in Oxford stets fleissig von den Hogwarts-esken Türmchen und Erkern geschwärmt. Und wer es gar bis in eine der Bibliotheken geschafft hat, der versucht möglichst unauffällig die besonders geheimnisvoll ausschauenden Buchrücken so aus den Regalen zu ziehen, dass sich vielleicht doch noch irgendwo ein Geheimgang auftut und man endlich zu seiner wohlverdienten Zauberer-Ausbildung kommt.
So sieht in Oxford ein abgeriegelter Uni-Park aus.
Notabene: Wer es geschafft hat. Denn das Zweite, was man über Oxford wissen muss, ist, dass die gefühlt ganze Stadt im Besitz der Universität ist. Ihr wollt hübsche Türmchen und verzauberte Bibliotheken? Könnt ihr haben. Aber nur von aussen. Das gilt auch für viele der wunderschönen Parks, die hinter dicken Mauern liegen und nur per Mitarbeiterkarte oder gegen horrende Eintrittsgebühren zugänglich sind. Wer richtig in die Universitätsstadt hineinblicken will, der muss sich also jemanden organisieren, der für die Universität arbeitet.
Weg mit den Klischees
Glücklicherweise tut das in Oxford praktisch jeder. An keinem anderen Ort der Welt ist die ansässige Uni so omnipräsent wie hier. Und die Elite-Ausbildung, die sie mit sich bringt, so überraschend selbstverständlich: Am Wochenendmarkt (am besten mit Mittagshunger hin: Die hausgemachten Samosas und indischen Reisbällchen sind grosse Klasse) trifft man auf junge Hippies, die selbstgezogenes Gemüse verkaufen und unterhält sich mit ihnen über Permakultur und den perfekten Dünger, nur um 10 Minuten später zu erfahren, dass die vermeintlichen Tree Huggers in Wahrheit Postdoktoranden der Astrophysik sind. Nach dem Hogwarts-Klischee darf man nun auch getrost das Streber-Klischee beiseite legen.
So sehen Touristen in Oxford aus, die für halbtolle Sehenswürdigkeiten bezahlen.
Wer also nicht bereits schon einen Bekannten in Oxford hat, der sucht sich einen an besagtem Markt. Oder noch besser: in einem der lokalen Pubs. Hier geben sich Harry Potter-Fan, Streber und Hippie die Hand und trinken einszweidreivier Pints zusammen, vorzugsweise regionale Ales aus Oxfordshire. Pubs gibt es in Oxford wie Sand am Meer, deshalb wählt am besten eins, das den eigenen Vorlieben entspricht: Wers gerne kultig und laut mag, der geht ins «Big Society» – ein schnuckliges Haus mit Ausstellungen lokaler Künstler und fantastischen Pub Quizzes einmal pro Monat (leider nur für verlängerte Wochenendler: Immer an Dienstagen). Für historisch Interessierte bietet sich das «The Bear» an – hier wurden schon 1242 die Gläser gehoben. Den Belesenen sei das «The Library» empfohlen, in dem behaglichen Pub kann man mit anderen Bücherwürmern in bequemen Sesseln lümmeln und grosse Autoren zitieren.
Apropos grosse Autoren:
Oxfords literarische Aushängeschilder J.R.R. Tolkien und C.S. Lewis hatten zu ihrer Zeit ein Lieblingspub, das man heute noch besuchen kann. Im «Eagle and Child» (für Insider: The Bird and Baby) diskutierten die «Inklings», der Literaturzirkel, in dem beide Autoren Mitglieder waren, jeweils über ihre unfertigen Werke. Wer also schon immer mal sehen wollte, wo «Der Herr der Ringe» sein Fett abbekam, dem sei ein Besuch in diesem dann doch ganz sympathisch untouristischen Pub empfohlen.
So sieht in Oxford eine Kantine aus. (Etwas verwackelt, da Fotografieren strengstens verboten)
Hat man einmal Bekanntschaft mit den Lokalen/Uni-Mitarbeitern geschlossen, kann das unkonventionelle Touri-Programm beginnen: Durch die Innenhöfe und Kreuzgänge der 38 Colleges schlendern, den hauseigenen Rehen des Magdalen College beim Reh-Sein zuschauen, auf meterhohe Leitern in dunklen Bibliotheken steigen und Kantinen bestaunen, die wie – tja – kleine Versionen von Hogwarts‘ Grossem Saal aussehen.
So sieht in Oxford eine glückliche Autorin mit Scone aus.
Zum Abschluss dann noch den typischen Afternoon Tea im wunderhübschen «The Vaults and Garden»: Hier gibts die besten Scones der Stadt mit grosszügigen Portionen Clotted Cream und Lemon Curd, mit Blick auf die ebenso wunderhübsche und nur mit Karte gratis besuchbare Bodleian Library. Bei der macht dann nun auch endlich der Harry Potter-Vergleich für einmal Sinn: Die ihr direkt angrenzende Divinity School, ein gotisch verkitschter Vortragssaal aus dem 15. Jahrhundert, war in den ersten beiden Filmen zu sehen – als Spital von Hogwarts.
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Ausschlafen: Das Holywell Bed and Breakfast wird von zwei Menschen betrieben, die so bezaubernd charming british sind, das einem das Herz aufgeht. Dazu wunderschöne Zimmer mitten in der Stadt – leider nur zwei davon, früh buchen ist also Voraussetzung.
Anbeissen: Grundsätzlich gilt in Oxford: Essen vom Markt ist grossartiges Essen. Wer gerade keinen zur Hand oder vor dem Auge hat, der soll ins «Nosebag» – ein preisgünstiges Restaurant mit grossartigen Lammgerichten (mit Rhabarberchutney, Couscous und Gemüse) und leckeren Torten.
Auskundschaften: Allen, die kurz vor dem Türmchen und Erkern-Overkill stehen, sei ein Besuch ins Pitt Rivers Museum ans Herz gelegt. Von riesigen Dino-Skeletten zu Schrumpfköpfen und Inuit-Mänteln aus Robben-Innereien, zeigt das Museum fantastische anthropologische Schätze – selten so gestaunt.