Nach knapp einem halben Jahr zieht Granit Xhaka im Interview eine erste persönliche Bilanz seines Engagements beim englischen Koloss Arsenal.
Der 50-fache Schweizer Nationalspieler gewährte der Nachrichtenagentur sda einen Einblick in seinen aufregenden Londoner Alltag. Im Interview spricht der 24-Jährige über Kritiker und seinen Status beim Weltverein.
Vor Kurzem holte BBC-Experte Danny Murphy zum Rundumschlag aus. Sie seien ein «dreckiger und rücksichtsloser» Spieler, der den Erfolg Arsenals gefährde. Haben Sie von dieser gesalzenen Kritik gehört?
Granit Xhaka: Richtig mitbekommen habe ich seine Aussagen nicht. In einer Zeitung wurde es mal aufgegriffen, aber mehr weiss ich ehrlich gesagt nicht. Lassen wir es so stehen. Es ist die Meinung eines Ex-Fussballers, die mich in dieser Form nicht allzu sehr berührt.
Wie sind denn die letzten Wochen und Monate aus Ihrer Sicht verlaufen?
Seit rund zehn bis zwölf Matches stehe ich nonstop auf dem Platz. Ich bin angekommen und glücklich. Meine Teamkollegen vertrauen meinem Spiel mehr und mehr. Bis auf die Niederlagen gegen Everton und Manchester City im Dezember ist vieles positiv verlaufen. Ich habe ein gutes Gefühl und glaube, auf dem richtigen Weg zu sein.
Arsenal redet trotz einiger Fehltritte weiterhin bei der Titelvergabe mit?
Natürlich bleiben wir im Rennen, an der Spitze der Premier League ist es eng. Wir haben Chelsea weiterhin im Blickfeld, und von Platz 2 (Liverpool) trennen uns nur drei Punkte. Es bleiben 18 Spieltage, für mich ist alles offen. Es ist sicherlich zu früh, um schon darüber zu spekulieren, wo wir am Ende in der Tabelle stehen werden.
Seit dem letzten Juli bewegen Sie sich in der Premier-League-Welt. Wo orten Sie die Unterschiede zum Bundesliga-Alltag? Wird tatsächlich härter und schneller gespielt?
Für mich war und ist eine harte Gangart nie ein Problem. Ich musste mich eher daran gewöhnen, dass in England weniger Wert auf Ballbesitz gelegt wird. Die Zeit zwischen der Balleroberung und dem Abspiel ist kürzer als in Deutschland, es geht rasend schnell hin und her.
Sie sind an der EM mit hohen Passwerten aufgefallen. Bei Arsenal führen Sie das interne Ranking mit 1098 Zuspielen in 17 Meisterschaftspartien vor Mesut Özil an.
Mir war diese Zahl bis anhin nicht bekannt. Sie belegt meine Stärke am Ball, sie zeigt, wie ich meine Rolle interpretiere. Ich bemühe mich selber zwar nicht um solche Statistiken, aber selbstverständlich werte ich sie als gutes Zeichen.
Sie sind als Captain von Borussia Mönchengladbach gekommen. Wie stufen Sie Ihr Rating in London ein? Wie schätzen Sie selber Ihre Akzeptanz in der Weltauswahl von Arsenal ein?
Ich bin ein paar Schritte weiter als im Sommer. Das spürt man im Training, im täglichen Umgang mit den Mitspielern, das spüre ich an den Spieltagen. Raum zur Steigerung ist selbstverständlich noch reichlich vorhanden. Sie kennen mich, ich bin ehrgeizig und setze mir hohe Ziele. Ich will mir bei Arsenal einen ähnlichen Status erarbeiten wie in Gladbach.
Sie haben Arsène Wenger vor Ihrem Wechsel zu den Gunners als Gentleman und Legende bezeichnet. Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit mit der Klub-Ikone?
Inzwischen kommuniziert der Trainer viel mehr mit mir als zu Beginn. Als Spieler merkt man schnell, ob ein Coach auf einen setzt. Arsène Wenger überträgt mir bereits sehr viel Verantwortung.
Haben Sie Ihre Ehrfurcht vor der Grösse des Klubs etwas abgelegt, oder täuscht der Eindruck?
Zu Beginn fühlte es sich schon wie im Traum an, die neue Dimension ist für mich inzwischen Alltag. Ich habe mich daran gewöhnt, dass von Arsenal immer und überall extrem viel erwartet wird.
Was hat Sie seit ihrer Ankunft in London am meisten überrascht?
Die Mitspieler! Ihre Bodenständigkeit ist unglaublich, die Wärme meiner Kollegen, die Herzlichkeit im Staff. Das hat mich tief beeindruckt, so etwas erlebt man in einer mit Stars gefüllten Kabine nicht jeden Tag.
Gestatten Sie einen Blick in die Zukunft. Sie treffen im Champions-League-Achtelfinal Mitte Februar auf Bayern München – für Sie als langjähriger Bundesliga-Professional eine spezielle Affiche?
Mit Bayern haben wir ein grosses und schwieriges Los gezogen. Unmöglich ist die Aufgabe meiner Meinung nach nicht. Unser Anspruch muss sein, den deutschen Meister zu schlagen. Wir sind Arsenal London, wir müssen uns vor keiner Mannschaft der Welt verstecken.