Ich, der Einkaufstourist

Wer in der Region Basel wohnt und zuweilen im Elsass oder im Markgräflerland einkauft, ist weder ein «Einkaufstourist», noch schädigt er das regionale Gewerbe. Er ist ihm vielmehr in höchstem Masse verbunden. Nur wird die Region eben von Landesgrenzen durchschnitten.

Der Glaube an die freie Marktwirtschaft ist eine relative Sache: Der grenzüberschreitende Einkauf gilt als unpatriotisch – wenn dies Konsumenten tun. Für Firmen gilt das nicht. (Bild: Ruda Barbara)

Wer in der Region Basel wohnt und zuweilen im Elsass oder im Markgräflerland einkauft, ist weder ein «Einkaufstourist», noch schädigt er das regionale Gewerbe. Er ist ihm vielmehr in höchstem Masse verbunden. Nur wird die Region eben von Landesgrenzen durchschnitten.

Wenn Unternehmen sich weltweit dort mit Produktionsmitteln und Rohstoffen eindecken, wo diese am günstigsten zu haben sind, dann nennt man das im liberalen Schweizer Mainstream «freie Marktwirtschaft». Bei den «Produktionsmitteln» handelt es sich zuweilen auch um Arbeitnehmer, die über Sub-Sub-Sub-Kontrakter in die Schweiz geschleust und zu Bedingungen beschäftigt werden, die jedem Gesamtarbeitsvertrag und dem Arbeitsgesetz spotten.

Wenn Schweizer Konsumenten ihre Reproduktionsmittel von der Nahrung über die Kleidung bis zu Möbeln und Unterhaltungselektronik dort einkaufen, wo sie am günstigsten zu haben sind – und das ist oft im grenznahen Ausland der Fall –, dann nennt derselbe Schweizer Mainstream dies «Einkaufstourismus». Und meint es negativ, obwohl er Tourismus sonst für durchaus nützlich hält, dann nämlich, wenn er als Fremdenverkehr in die Schweiz fliesst. Was freilich, wie die jüngsten Statistiken zeigen, nicht mehr so selbstverständlich ist: Viele Deutsche gehen heute aus Preisgründen lieber nach Österreich als in die Schweiz. Was machen die da? Wahrscheinlich «Tourismustourismus».

Was soll daran schlecht sein?

Der gemeine Einkaufstourist im kleinen Grenzverkehr gilt als Schnäppchenjäger, den es stets dorthin zieht, wo es am billigsten ist. Selbst wenn dem tatsächlich so wäre, bliebe die Frage, was daran schlecht sein soll. Das ist doch geradezu die Grundlage des marktwirtschaftlichen Systems: Jeder Marktteilnehmer ist bestrebt, für sich jeweils das Beste herauszuholen. Nur so, postuliert die gängige Lehre, werde der Erfolg des Ganzen maximiert. Demnach müsste eigentlich gelten: Wer die Konsumenten daran hindern will, über den Grenzhag zu fressen, verstösst gegen die Regeln des Marktes und schadet damit dem Wohlstand der Gesellschaft.

Tatsächlich gilt der grenzüberschreitende Einkauf dagegen als schädlich für das heimische Gewerbe, ja geradezu als unpatriotisch. Wobei offenkundig nur Konsumenten unpatriotisch sein können, Unternehmen (siehe oben) eher nicht. Der Patriotismus scheint wie der Glaube an die freie Marktwirtschaft eine recht relative Sache zu sein.

Ich will gute Ware einkaufen und bin bereit, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen.

Ich selber bin ein Einkaufstourist. Ich will gute Ware einkaufen und bin bereit, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen. Ich erwarte, in jedem Geschäft als Kunde willkommen zu sein. Ich möchte kompetent beraten werden, wenn ich Rat benötige. Ich nutze das ganze Spektrum an Einkaufsmöglichkeiten, das mir unsere Region bietet – und zu unserer Region zählen das Sundgau, das Markgräflerland, das Wiesental gleichberechtigt mit dem schweizerischen Umland der Stadt Basel.

Wo ich einkaufe, entscheide ich anhand der genannten Kriterien. Und erst dann spielt für mich der Preis eine Rolle. Da ich in Riehen wohne, liegt für mich bei manchen Einkäufen und bei sonst gleichwertigen Bedingungen das Stadtzentrum von Lörrach ganz einfach näher als jenes von Basel.

Der Service entscheidet

Entscheidend ist die Qualität – des Sortiments wie des Service. In der Riehener Filiale eines Schweizer Grossverteilers bekam ich auf meine Frage an eine Verkäuferin, wo ich ein bestimmtes Produkt aus ihrem Rayon wohl finden könne, die Antwort: «Woher soll ich das wissen?» Wie sich herausstellte, stand sie knapp drei Meter neben dem etwas ungeschickt platzierten Produkt. Wenn ich zum Beispiel in Hiebers Frischemarkt in Lörrach eine Verkäuferin nach dem Standort eines Produkts frage, führt sie mich dorthin – fehlt nur noch, dass sie mich bei der Hand nimmt. Einmal dürfen Sie raten, wo ich lieber einkaufe.

Umgekehrt käme es mir kaum in den Sinn, Fleisch jenseits der Grenze einzukaufen, obwohl es dort ohne Frage günstiger zu haben ist. Denn es würden mir die Ratschläge zur Zubereitung fehlen, die ich bei «meinem» Metzger Henz in Riehen erfragen kann (neben der genauen Auskunft über die Herkunft seiner Ware). Aus dem gleichen Grund kaufe ich Fisch in letzter Zeit fast nur noch in der Migros-Filiale beim Bankenplatz oder bei der Migros-Tochter Globus – nur kommt bei dieser Wahl dann doch das Preisargument ins Spiel.

Wein kaufe ich beim Fachhändler, wenn es etwas Aussergewöhnliches sein soll, meistens aber bei Coop – aber nur in der Filiale Rauracher, denn dort wirkt in diesem Rayon ein überaus freundlicher, hilfsbereiter und kompetenter Verkäufer. Wobei sich beim Wein dann noch die Frage stellt, warum wir in Basel einen Fendant, einen Aigle oder einen Epesses eher trinken sollen als einen Auggener, einen Mauchener oder einen Riesling aus Rouffach oder Kaysersberg. Diese Weine wachsen alle direkt vor unserer Haustür und sind mindestens so gut, werden aber durch unverschämte Zollbarrieren verteuert und zum Teil ferngehalten.

Ich lasse mich als Konsument nicht gerne an der Nase herumführen.

Um Cola-Getränke zu vernünftigen Bedingungen zu bekommen, bin ich nicht auf Denners Tschechien-Importe angewiesen. Das kann ich in der Region haben, wenn auch nicht in Basel. Dort teilte mir die Zentrale eines Grossverteilers vor einigen Jahren auf meine einschlägige Frage mit, Cola-Getränke in Literflaschen, die ich bevorzugt hätte, würde der Hersteller nicht liefern. Seit ich kurz darauf Literflaschen derselben Marke in einem Lörracher Geschäft im Angebot gesehen habe, kaufe ich dieses Produkt nur noch dort. Ich würde mich nicht einmal mehr dann umstimmen lassen, wenn ich das Produkt jetzt auch in Basel so bekäme, wie ich es wünsche. Denn ich lasse mich als Konsument nicht gerne an der Nase herumführen.

Ähnliche Überlegungen gelten auch für andere Produktkategorien. Was etwa die Damenmode angeht, so höre ich immer wieder, in Basel habe man nur noch die Wahl zwischen «sauteuren» und «Lumpenläden». Kein Wunder, schauen manche Frauen dann eben auch mal im deutschen Freiburg vorbei, wo es wirklich tolle Läden gibt – und Freiburg liegt ja auch näher als Zürich, wo das Angebot breiter sein soll als in Basel…

Was hat das mit «Tourismus» zu tun?

Der sogenannte «Einkaufstourismus» ist, zumindest aus Basler Sicht, gar kein Tourismus. Schliesslich kaufen diese Kunden in ihrer engeren Heimat ein. Lörrach, Weil, St-Louis, Huningue, Hegenheim liegen uns bereits näher als Liestal, von Olten oder gar Zürich ganz zu schweigen. Die Gemüse- und Obstgebiete im Markgräflerland und im Sundgau sind für uns mit Sicherheit «einheimischer» als jene im Bieler Seeland oder im Thurgau, die Frischeversprechen glaubhafter.

Wenn ich oberhalb meiner Wohngemeinde im Wald spazieren gehe, kann ich es kaum vermeiden, eine Landesgrenze zu überschreiten. Was soll also der Unfug mit dem hässlichen Wort «Einkaufstourismus»?

Wer als Basler beim Einkaufen alle drei hier aneinander grenzenden Länder berücksichtigt, verhält sich keineswegs «unpatriotisch». Er ist im Gegenteil in höchstem Masse heimatverbunden. Schliesslich haben wir «Z’Basel a mim Rhy» auch aus dem Wiesental importiert, wo der «Dichtertourist» Johann Peter Hebel herkam (komponiert wurde das Lied übrigens von einem Sachsen).

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