Ich habe am letzten Sonntag vor der Wahl meine Stimme abgegeben. Der Grund: um John Husted, dem Ohio Secretary of State, statistisch eine zu geben, denn wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte dann gar nicht gewählt werden dürfen.
Ich habe am letzten Sonntag vor der Wahl meine Stimme abgegeben. Der Grund: Um John Husted, dem Ohio Secretary of State, statistisch eine zu geben, denn wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte an diesem Tag gar nicht gewählt werden dürfen. Wie falsch das gewesen wäre, zeigt die lange Schlange, die sich vom Erdgeschoß aus die Treppe nach oben in den eigentlichen Wählraum schiebt.
Als die junge Frau, die genau nach uns mit ihrem Freund zur Tür hereinkommt, die Schlange sieht, verliert sie kurz ihre Fassung. Ihr Typ fragt sie, warum sie jetzt hier anstehen wolle. «Weil ich nicht morgen freinehmen und mit zwei Kindern hier warten will. Und am Dienstag auch nicht.» Ihre Antwort ist entschieden, und einleuchtend. Wenn John Husted aus diesem Wochenende nicht so ein Politikum gemacht hätte, hätten mein Mann und ich uns hier heute auch nicht hergequält. Der Sinn frühen Wählens ist ja schließlich, lange Schlangen zu vermeiden, und das ist uns wirklich nicht gelungen, ganz im Gegenteil.
Jeder von uns muß einen Wisch ausfüllen, daß wir als «absentee voter» wählen wollen. Reine Formalität, aber wichtig. Allerdings will die freundliche Frau im Wahlraum meinen Führerschein nicht sehen, sie hat mich im Computer gefunden. Ich bekomme meine Chip-Karte ausgehändigt, dann geht es an den Wahlautomaten, wie sonst auch.
Die erste Frage ist, wen ich als Präsidenten und Vize wähle. Gary Johnson, Kandidat der Libertarians. Wenn mich auch meine Umwelt jetzt teeren und federn wird, ich kann weder für Obama, noch für Romney stimmen. Obama hat in den letzten vier Jahren nichts erreicht (ja, der Kongress ist schuld, blahblahblahblah), und Romney ist aus mehr Gründen nicht wählbar, als ich hier aufzählen kann.
Daß mit meiner Stimme de facto eine Partei verlieren wird, ist mir egal. Wenn das System nicht stimmt, bin nicht ich daran schuld. Meine Stimme an einen Drittkandidaten, der wie alle anderen von den main stream media konsequent ignoriert worden ist, sollte genauso zählen wie in Deutschland, Fünfprozenthürde inklusive. Statt dessen werden wir ignoriert. Ich hätte auch genauso gut Jill Stein von der Green Party wählen können, die am Rande einer Wahldebatte verhaftet wurde, weil sie versucht hatte, das Gebäude unauthorisiert zu betreten.
Es gab noch zahlreiche andere Kandidaten auf dem Stimmzettel, und ein paar tax levies und issues. Die interessanteste war die Frage, ob fürderhin Wahldistrikte weiterhin von der jeweils regierenden Partei alle zehn Jahre festgelegt werden dürfen, oder per constitutional amendment, also Verfassungszusatz zur Verfassung des Staates Ohio, per unabhängiger Kommission.
Grundsätzlich stimme ich eigentlich gegen alles, was Einzelinteressen in die Verfassung schreibt. Weil ich aber der Meinung bin, daß das gegenwärtige System nur für die beiden großen Parteien gemacht ist, kreuze ich «ja» an, wohl wissend, daß Issue 2 wohl scheitern wird, genauso wie meine Wahl hinsichtlich des Präsidenten.
Was meines Erachtens aber letztlich zählt: ich war hier, ich habe gewählt, und ich habe den-/diejenigen gewählt, die ich für am fähigsten hielt. Darum geht es in einer Demokratie, so fehlerhaft sie auch erscheinen mag.