«Il Capitale Umano»: Vom Risiko des Geldes

Während der Italiener Draghi mit der EZB jetzt auch die Schulden der Banken aufkauft, geht ein anderer Italiener Schuld und Schulden nach: Paolo Virzi liefert einen spannenden Society-Krimi. «Man müsste wieder einmal einen Pirandello spielen!» Das sagt eine Theaterliebhaberin mitten in der zweiten Episode von «Il Capitale Umano» in einem Gespräch mit Gönnern. Doch das […]

Humankapitalisten: Gewinne für Einzelne - Verluste für alle

Während der Italiener Draghi mit der EZB jetzt auch die Schulden der Banken aufkauft, geht ein anderer Italiener Schuld und Schulden nach: Paolo Virzi liefert einen spannenden Society-Krimi.

«Man müsste wieder einmal einen Pirandello spielen!» Das sagt eine Theaterliebhaberin mitten in der zweiten Episode von «Il Capitale Umano» in einem Gespräch mit Gönnern. Doch das wird sofort verworfen: «Das ist zu sehr 20. Jahrhundert». Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon zum zweiten Mal durch die Geschichte einer Tragödie gereist, die sich am Rande einer Strasse abgespielt hat. Ein Fahrradfahrer wurde angefahren.  

Doch was ist Humankapital? Versicherungen benennen so die Summe, die sich aus Lebenserwartung, zu erzielenden Verdienstmöglichkeiten und Menge und Qualität der Beziehungen, die ein Mensch in seinem Leben haben könnte, errechnen lässt. Versicherungen legen im Schadenfall so den Wert fest, den ein Menschenleben ausmacht. In «Il Capitale Humano» sind das 218’976 Euro.

Aus drei verschiedenen Blickwinkeln erzählt 

Dreimal mehr setzt Dino in einen Fonds ein. Pikant daran: Er riskiert nicht sein eigenes Geld. Er leiht es sich von der Bank. Paolo Virzi erzählt eine geschickt gestrickte Fabel, und führt uns zu einem ernüchternden Schluss: Der Investor, der auf den Zusammenbruch setzte, gewinnt. Dino holt sogar noch mehr raus: Er ist der Mitwisser eines Verbrechenns. Und lässt sich dafür bezahlen.

Paolo Vinzi erzählt die Geschichte in vier Episoden. Erst scheint er sich ganz der Finanzfrage widmen zu wollen: Während der Italiener Mario Draghi als Präsident die EZB zu neuen Tiefstzinsen peitscht, macht ein italienischer Kleinunternehmer das, was damit ermutigt wird: Er leiht sich billiges Geld, um zu spekulieren. Auf den Zusammenbruch.

Doch der Zusammenbruch kündigt sich an ganz andrer Stelle an: Die Frau des Fonds-Managers, von Valeria Bruni Tedeschi hinreissend gespielt, möchte, dass ihr Mann ihr ein Theater renoviert und zerbricht daran, als er es nicht tut. Der Sohn des Fonds-Managers kommt betrunken nach Hause und wird der Fahrerflucht bezichtigt. Der Fonds-Manager selbst gerät in die Klemme.

Der Humankapitalismus gewinnt

Am Schluss gibt es zwar eine Leiche, einen Falschen im Knast und jede Menge verschwendetes Humankapital. Aber die Investmentkurve weist wieder steil nach oben. Paolo Virzi hält die Spannung bis zum Ende offen, erzählt solide, wie das eben jener Priandello auch getan hätte, den die Theatergönner «veraltet» nennen: Mit grosser Empathie für die rätselhaften Wege im Leben der Menschen und mit grossem Bewusstsein für die gesellschaftliche Macht-Pyramide. Am Schluss kommen die Gierigen ungeschoren davon.

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Der Film läuft u.a. in Basel in den Kult-Kinos.

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