IL COMANDANTE E LA CICOGNA

Wieder verschafft uns der Alltags-Poet Soldini einen bauernschlauen Blick auf das andere Italien: Jenes Italien, dass am liebsten Männer wählt, die ganz sicher eines nicht können: (e)regieren. Garibaldi, der Guerilliakäpfer und  Staatsmann ist nicht wirklich glücklich. Wo immer er in Italien steht – und er steht überall! – das selbe Bild. Wo muss er sich […]

Wieder verschafft uns der Alltags-Poet Soldini einen bauernschlauen Blick auf das andere Italien: Jenes Italien, dass am liebsten Männer wählt, die ganz sicher eines nicht können: (e)regieren.

Garibaldi, der Guerilliakäpfer und  Staatsmann ist nicht wirklich glücklich. Wo immer er in Italien steht – und er steht überall! – das selbe Bild. Wo muss er sich mehr schämen? Wenn er Italien von oben sieht, von seinem hohen Ross aus, oder unter dem Fussvolk weilend?

Silvio Soldini , der sich mit «Pane e Tulipani» oder «Cosa voglio di più»als bauernschlauer Poet des Alltags-Kinos bewiesen hat, überlässt es uns, welche Sicht wir nun wählen wollen: Leo hat seine  Frau bei einem tödlichen Unfall in den Ferien verloren. Jetzt kommt er mit Haushalt, zwei Kindern und seiner  Arbeit nur schlecht zurecht. Träte da nicht nachts seine Frau in Erscheinung, er hätte längst aufgegeben.

Diana ist eine  versponnene Künstlerin. In den absonderlichsten Kleinigkeiten des Alltags entdeckt sie kleine Wunder und hält sie in ihren Gemälden fest. Dass die beiden, Leo und Diana, sich finden werden, das ist lange nicht klar. Aber als es endlich geschieht, liegt es auf der Hand.

Soldini ist zu schlau, als dass er nur eine Liebesgeschichte erzählen wollte: Er lässt uns den zutiefst philosophischen Eskapaden seiner Figuren folgen. Die versponnene Künstlerin, der schrullige Lebemann, der grossmütige Handwerker, sie alle entspringen dem gelebten Alltag ebenso, wie der erträumten Italianità.

Dabei ist Soldini ein radikaler Oppositioneller. Radikal wie einst Dario Fo, der lieber etwas in den Köpfen öffnet, anstatt etwas  in die Köpfe hinein zu trichtern. Soldini ist nie aufdringlich. Da kann beim Renovieren des Cavaliere – wie nebenbei – schon einmal ein Gipskopf abfallen. Darin ist er gewiss politisch einedeutig. Aber er ist eben auch viel zu verspielt, als dass er nur die Gipsköpfe der Politik lächerlich machen wollte. Trotzdem ist kein Bild ein Zufall. Dass der Storch, der die Kinder bringt, schliesslich gerettet wird, und das ausgerechnet in einem unsaussprechlichen Dorf in der Schweiz gefunden wird, das ist nur eine der beziehungsreichen Anspielungen, die er uns zu entziffern gestattet.

Wie Dario Fo, der als Autor und Schauspieler in den Fünfziger Jahren Bibeltexte ganz neu erzählte, sorgt Soldini erst einmal dafür, dass wir etwas genauer hinhören. So wie Roberto Begnini in den Neunziger Jahren mit Dante dem Volk die Poesie zurückgab, lässt Soldini den verqueren Vermieter Amanzio sich durch das europäische Dichtgut zitieren. Soldini schildert – mit leichter Hand – einen unendlich feingeistigen, lebenschlauen Frechdachs: Amanzio nämlich lebt davon, dass er eine Wohnung teuer untervermietet, dass er Bücher nicht kauft, sondern in Buchhandlungen liest, dass er Supermärkte nach Waren absucht, deren Verkaufsdatum abgelaufen ist, um sich dann zu beschweren und die Sachen mitlaufen zu lassen.

Klar, dass sich Leos Sohn, der einen Storch mit gestohlenen Froschschenkeln füttert, sich mit dem schrulligen Kerl anfreundet. Klar auch, dass der schrullige Kerl dem Sohn hilft, den aus Italien in in die Schweiz geflüchteten Storch zu retten.

Silvio Soldini konnte in diesem Jahr mit einer Werkschau in Solothurn noch einmal eindrücklich seinen Weg zeigen.Er erinnert mit seinem neuen komödiantischen Streich wieder einmal an das andere Italien, jenes bauernschlaue, lebenstüchtige, kunstfertige: Der Film ist nicht zuletzt eine Verteidigung all jener kleinen Schlauberger, die lauter Männer wählen, die sicher eines nicht können: (e)regieren.

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