Die Schweizer sind primär mit ihrer souveränen Qualifikation für die Achtelfinals zufrieden. Nach dem 0:0 gegen den Turnierfavoriten Frankreich beziffern sie ihre Marge bei 20 Prozent.
Wenn im Zuge einer ersten Aufarbeitung die mangelhafte Qualität der T-Shirts Teil der Debatte ist, haben die Schweizer in ihrem Kernbereich den Job erledigt. Oder anders formuliert: Nur der Stoff ihrer Leibchen riss, das Team hingegen hielt einer ersten Zerreissprobe stand, die Serie der Ungeschlagenheit hält an.
Keeper Yann Sommer nahm den Materialschaden – mehrfach mussten sich die Schweizer an der Seitenlinie neu einkleiden lassen – am Tag der Achtelfinal-Qualifikation mit Humor: «Es war eben auch ein harter Fight auf dem Platz, da kann schon mal was kaputt gehen.»
Wichtig war selbstredend anderes, der letztlich bemerkenswert stilsichere Vorstoss unter die Top 16 zum Beispiel. «Wir haben das Ziel sicher erreicht», erklärte Valon Behrami, der nahezu fehlerfreie Schweizer Vorarbeiter. Ihm gefiel, «wie die Mannschaft Charakter gezeigt hat, wie sie sich einem körperlich starken Herausforderer entgegen gestellt hat. Wir haben uns in jeder Partie gesteigert.» 20 Prozent Luft gegen oben blieben indes noch, so Behrami.
Vor zwei Jahren tauchten die Schweizer an der WM gegen Frankreich früh ab. In Lille wiederholte sich das Szenario nicht, obschon die Einheimischen den Aussenseiter sofort massiv bedrängten. Phasenweise taumelte das Team von Vladimir Petkovic, das Powerplay des Turniergastgebers hinterliess Spuren, gefallen ist es nicht. «Wir haben unsere Linie trotzdem halten können», kommentierte Behrami den heiklen Auftakt.
Gelitten, aber glücklich
Die Schweizer hatten während einer Halbzeit mehr zu leiden als zuvor in 180 EM-Minuten, einige von ihnen touchierten rasch einmal die Schmerzgrenze. «Les Bleus» setzten nicht nur im spielerischen Bereich Akzente, in diversen Rencontres griffen sie auch zum eher rustikalen Stilmittel. Admir Mehmedi und Valon Behrami bearbeiteten sie auch auf Kopfhöhe mit dem Stollenschuh ohne jegliche Rücksicht auf Verluste.
«Sous pression», unter Druck – die französischen Medien fokussierten sich im Vorfeld vermehrt auf Pogba. Der Juventus-Mittelfeldspieler reagierte, wie es Grosse zu tun pflegen. In der Startphase war der 23-Jährige kaum aufzuhalten – zwei seiner Schüsse streiften die Latte.
In jenen prekären Momenten beanspruchten die Schweizer das Glück. Aber ihnen ist auch anzurechnen, dass sie zu Beginn zwar einige 1:1-Situationen verloren, aber nie den Kopf und die Gewissheit, den prominenten Widersacher zu stoppen. Anders als an der WM in Brasilien liessen sie sich nicht einschüchtern, sondern legten zu und gewannen spürbar an Stabilität.
Vor allem im Zentrum strahlten sie Ruhe aus, panisch reagierte keiner. Granit Xhaka und Behrami lenkten das Spiel wie zwei Chefs. Sie hätten mit dem 0:0 demonstriert, auch «mit den Grossen mithalten zu können», befand Xhaka, der auf mehr Zuspiele kam als die beiden französischen Antreiber Cabaye und Pogba zusammen.
Wohl gegen Polen
In der nächsten Runde bahnt sich ein Duell gegen Polen an, sofern Deutschland gegen Nordirland am Dienstag in Paris die Pflicht erfüllt. «Sowohl Polen als auch Deutschland zählen für mich zu den Topteams», sagte Behrami. Im Zusammenhang mit den Osteuropäern komme im vor allem der Starstürmer Robert Lewandowski und die erstklassige Leistung beim 2:2 im Test im vorletzten Herbst in den Sinn.