Hansjörg Betschart im Gespräch mit Ramon Giger, dem Autor des Dokumentarfilmes-Filmes „Eine ruhige Jacke“, der am Sonntag im Kino Camera Basler Première hat und demnächst in den Kult.Kinos läuft. Ramon Giger lebt seit zehn Jahren in Basel. Er hat hier an der Schule für Gestaltung (SfG) studiert, Fachrichtung „Bewegtes Bild“.
Ramon und sein Betreuer Xaver
Im Gespräch mit Ramon Giger, dem Autor des Filmes „Eine ruhige Jacke“, der am Sonntag Basler Première hat und demnächst in den Kult.Kinos läuft. Ramon Giger lebt seit zehn Jahren in Basel. Er hat hier an der Schule für Gestaltung (SfG) studiert, Fachrichtung „Bewegtes Bild“.
Ramon, was auffällt, wie ähnlich die Namen sind: Roman, der junge Mann aus „Ruhige Jacke“ und Ramon, der Regisseur des Films. Gibt es eine Verwandtschaft zwischen Ramon und Roman?
– Ich habe Roman im Zivildienst kennen gelernt, absichtslos, als Arbeitender. Ich war nicht in der Rolle des Dokumentarfilmers. Ich habe ihn über Arbeit im Wald kennen gelernt. Der Wald hat uns zusammengebracht. Die Sprachfindung hat erst später eingesetzt. Und die Bildsprache hat sich aus der ursprünglich absichtslosen Begegnung entwickelt.
Ich meine sogar eine äussere Ähnlichkeit zu erkennen. Er könnte dein Bruder sein.
– Das habe ich im Laufe der Arbeit auch bemerkt, ja, das macht den Film vielleicht in seiner Art noch persönlicher. In gewisser Weise ist es auch ein Film über mich. Über meine Sprachfindung. Ich suche nach Bildern, die der Interpretation Raum lassen, weil ich selber immer wieder Schwierigkeiten habe in Worten auszudrücken, was ein Bild mir sagt, was ich erzählen will mit Bildern.
Wann hast du begonnen, nach Bildern zu suchen, die Welt von Roman einfangen können?
– Ich habe versucht, ihn zu begleiten, ihm den Raum zu schaffen, der nicht mein Raum ist, der mich als Ramon aussen vor lässt. Ich hatte einen ersten Rohschnitt des Films, in dem ich selber noch viel zu sehr vertreten war, verworfen. Ich war noch viel zu präsent mit einer Ambition, die seine Welt eher eingeschränkt hätte.
Welch Ambition?
– Ihn zu erklären.
Hast du deshalb auf Off-Kommentar verzichtet?
– In der Tat soll der Film für sich selber sprechen können. Oder eben für Roman. Ich habe immer wieder nicht nur an einem Film, sondern ebenso an mir selber arbeiten müssen, in unserer Begegnung: Meinen Beziehungsformen, meinen Fluchten vor Nähe. Das Thema hat mich auch über den Film hinaus nicht losgelassen.
Nicht nur hast du nach deiner Sprache gesucht. Du hast Ramon auch die Kamera in die Hand gegeben und ihn nach seinen Bildern suchen lassen.
– Meine erste Idee war in der Tat der Blick von Innen. Ich wollte einen Film über Autismus als Wahrnehmungswelt machen. Einen Film über unsere Wahrnehmungswelten. Das war vielleicht erst einmal naiv. Ich war im Glauben, ich könne über das Medium etwas von dieser Innenwelt erfahrbar machen. Habe aber sehr rasch bemerkt, dass ich mich dieser Weltsicht nur annähern kann. Dass eben das Thema die Annäherung ist, und nicht die Erklärung. Das macht die Welt vielleicht erfahrbar. Nicht Erklärt.
Du stellst die Fragen und überlässt uns die Antworten?
– Ich bin letzten Endes mit meinen Antworten auch allein. Ich versuche Kategorien zu vermeiden. Versuche keine Lösungen zu suchen, für eine Wahrnehmungswelt, die letztlich ein offenes Feld ist. Der Film öffnet den Raum für Interpretationen weit.
Wer ist freier, wir, die sogenannten „Nichtautistischen Menschen“, oder die „Autistischen Menschen“?
– Freiheit ist für mich ein Begriff, auf den ich immer wieder gestossen bin, im Umgang mit Roman. Er hat immer wieder sehr frei reagiert …
Was für herrliche Bilder etwa, wenn er einfach wegrennt, schimpft, lautet, mit sich selber hadert … .
– Aber er kennt eben auch eine Ohnmacht. Wir kennen vielleicht dies Ohnmacht anders. Es ist eine Ohnmacht dem eigenen Willen gegenüber. Selbst aus freiem Willen kann der Mensch nicht immer selbst bestimmen. Was aber, wenn ich selbst dem eigenen Willen gegenüber ohnmächtig bin? Wenn ich nicht bestimmen kann, wie ich mein Leben will, wie ich reagieren will? Das hat mich immer wieder extrem irritiert. Weil ich Roman immer wieder bewundert habe für sein enormes Fähigkeit zur Freiheit, zum Beispiel in der zwischenmenschlichen Interaktion, derart klare Signale setzen zu können. Wenn ihm etwas nicht passt, kann er aufstehen und wegrennen. Hierin fühle ich mich sehr viel unfreier, als er es vielleicht tut. Ich passe mich anders an. Ich stehe unter einem anderen konstanten Anpassungsdruck. Wo aber beginnt der Weg zum freien Denken?
Es gibt Augenblicke im Film, wo Roman sich plötzlich aus einer Situation entfernt, wegrennt, und doch rennt er nicht weg, sondern zu sich hin. Das macht ganz schön neidisch. Ich meine, dass wir das selber nicht öfter tun, es uns erlauben …. Der Film weckt noch viel weitergehende Fragen.
– Ja. Das ist vielleicht die Stärke des Films. Dass er ein Gespräch eröffnet, das Raum lässt für weite Interpretationen. Ich könnte zwei Stunden darüber reden. Aber am liebsten sage ich auch mal gar nichts. Da habe ich das Mass für mich selber noch nicht gefunden.
Der Film ist an diversen Festivals erfolgreich gezeigt worden, unter anderen in Nyon. Jetzt werden wir ihn demnächst in den Kult.Kinos sehen. Viel Erfolg dir, und Roman mit seiner „Ruhigen Jacke“.
– Danke.