Im Gundeli verschwindet eine Oase

«In dieser Zeit wirkt es vermutlich unmodern, dass man um einen Apfelbaum trauert», schrieb eine Anwohnerin der TagesWoche. «Was ist denn das für eine Hütte?» hätten Besucher immer gefragt, erzählt Monika Berman. Sie hat bis vor Kurzem in der Sempacherstrasse 53 gewohnt. Das Unverständnis der Besucher hätte aber meist nur so lange angehalten, bis sie den Garten gesehen […]

Im Hinterhof der Sempacherstrasse ist eine kleine Oase verschwunden

«In dieser Zeit wirkt es vermutlich unmodern, dass man um einen Apfelbaum trauert», schrieb eine Anwohnerin der TagesWoche.

«Was ist denn das für eine Hütte?» hätten Besucher immer gefragt, erzählt Monika Berman. Sie hat bis vor Kurzem in der Sempacherstrasse 53 gewohnt. Das Unverständnis der Besucher hätte aber meist nur so lange angehalten, bis sie den Garten gesehen hätten: «Ein grosser Rasen», beschreibt sie, «Brombeeren, Obstbäume, ein Brunnen und eine Weinrebe, die bis in den fünften Stock hinaufwuchs.» Kurz: Im Hinterhof des Hauses an der Sempacherstrasse habe sich eine kleine Oase befunden. Nun ist sie weg – dem Bagger zum Opfer gefallen.

Eine Totalsanierung wäre zu teuer, teilte die Stiftung SBK 1809, Teil der GGG Basel, den Anwohnern vor drei Jahren mit. Das Haus würde abgerissen. Dort, wo es stand, ist inzwischen der Bagger am Werk. Eine traurige Geschichte für Frau Berman: «In dieser Zeit, wo nur dem Neuen Beachtung geschenkt wird, wirkt es vermutlich unmodern, dass man trauert um einen Apfelbaum», schrieb sie. Trotzdem wolle sie darauf aufmerksam machen, dass ein so schönes Stück vom Gundeli verschwunden ist. Und so schrieb sie weiter:

«Trauern um gemeinsame Abende im Garten mit Freunden. Trauern um den Frosch, der im alten Brunnen jeden Sommer geweilt hat? Die vielen Haselnussbäume, die Brombeeren, die Zwetschgenbäume, die alte schöne Rebe, die bin in den 5. Stock wuchs, und an der sich alle bedienen konnten. Süss-saure blaue Trauben.»

Die Bausubstanz wäre marode gewesen, das schon. Aber der Garten? «Der Mann, der das Haus abgenommen hat, sagte, es wäre eben nicht lukrativ, den Garten zu erhalten», berichtet Berman.

Immer mehr Basler wollen im Gundeli wohnen, die Wohnungen werden knapper und die Mieten steigen. Das Gundeli mausert sich zum In-Quartier. An allen Ecken wird saniert und umgebaut. Es braucht zunehmend mehr Wohnungen auf weniger Fläche. «Wohnraumverdichtung» nennt sich das.

«Die bisherigen Nutzungsformen sind teilweise einfach nicht mehr zeitgemäss», kommentiert das Architekturbüro Miller&Maranta, das mit dem Neubau in der Sempacherstrasse betraut ist. «Wir tun da etwas Gutes», ist auch Werner Schumacher, Präsident der Stiftung SBK 1809 überzeugt. In der Sempacherstrasse sollen moderne Familienwohnungen entstehen, der Hinterhof im Karree hinter dem Winkelriedplatz soll umgebaut werden. Ein Teil des Gartens bleibe laut Planung erhalten, und der Hof soll wieder begrünt werden. 

Monika Berman hat Glück im Unglück gehabt und eine neue Wohnung im Gundeli gefunden. Als Ersatz für den Garten muss jetzt die neue Wohnung herhalten. Die ehemaligen Hausbewohner sind über Basel verstreut. Geblieben ist Berman nur etwas von der Oase: Ein Schlüssel zum Haus, das nicht mehr da ist.

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