Reinach als Teil des Speckgürtels rund um Basel bietet viel und bis Ende Oktober 2014 auch ein riesiges organisiertes Chaos.
Ja, ich gehöre auch dazu. Zu jenen, welche ihr Geld in der Stadt verdienen, aber auf dem Lande wohnen. Ich gebe aber auch einen grösseren Teil davon in der Stadt wieder aus. Kino gibt es in meiner Wohngemeinde leider keines. Zum Essen treffe ich mich auch meistens gleich nach der Arbeit in der Stadt. Kunstausstellungen werden in Basel und in Riehen besucht. Aber seit bald 30 Jahren wohne ich in Reinach, im Speckgürtel von Basel, wie es so schön heisst.
Kultur wird auch hier gelebt
Ja, es gefällt mir hier, hat mir immer gefallen. Ich bin schnell in der Natur, im Wald Richtung Therwil oder Ettingen. An unserem Bach, der Birs, zum Joggen, Entspannen, Erholen. Der ÖV ist gut ausgebaut und verbindet nach allen Richtungen, beinahe fast schon zu jeder Zeit. Und hier wird die Fasnacht gelebt. Jazz vom Feinsten gibts seit vielen Jahren am letzten Wochenende vor den Sommerferien auch. Metzgereien mit Gold-Status, Bäckereien mit Filiale in der Stadt, Blumenläden und sogar zwei Schuhmacher sind noch aktiv. Ein Heimatmuseum erzählt die Dorfgeschichte und auf dem Schulhaus-Platz vom Bildungszentrum kvBL wird im Sommer schon zum 19. Mal ein Openair-Kinoprogramm auf die Beine gestellt.
Man soll mit der Zeit gehen
Und ja: Ich trauere etwas dem alten Gemeindehaus nach, welches aus zwei alten Schulhäusern mitten im Dorf bestand. Vorne die Steuerverwaltung, hinten der Einwohnerdienst. Oder umgekehrt, lange ists her. Nun steht da ein moderner Glaskasten und dahinter ein ebenso moderner Wohnblock. «Ein Kaff mit Pfiff», eben. Man soll mit der Zeit gehen und Altem nicht nachtrauern, ich weiss! Und nun wird das Ortszentrum erneuert. Ein grosses Vorhaben und kaum vorstellbar.
Doch irgendwann im Juni haben sie begonnen – die Motorsägen für das Fällen der Bäume, die Presslufthammer zum Entfernen der Mauern und Randsteine, der geteerten alten Beläge, die Bagger fürs Beladen der Lastwagen mit Bauschutt und Geröll. Morgens auf dem Weg zur Arbeit sieht man die Baustelle so, abends beim Nachhause-Kommen total anders. Fleissig sind sie, die Gastarbeiter. Auch am Samstag wird vor sieben begonnen.
Intensivbauphase in Reinach hat begonnen
Noch schlimmer – die Mitteilung der Gemeinde wurde in alle Haushalte verteilt: In den sechs Wochen Schulferien findet eine Intensivbauphase statt. Was heisst das? Baubeginn frühmorgens um 5, in Worten: fünf Uhr. Durchgearbeitet wird in zwei Schichten bis abends 22 Uhr. Pünktlich am ersten schulfreien Montag, um 5.10 Uhr wachte ich auf, weil irgendeine Metallplatte irgendwo «in der Stadt vor der Stadt» etwas laut neu platziert wurde. Dass «bei Bedarf auch an Sonntagen und auch in der Nacht gearbeitet werden muss», kommt vermutlich noch. So schön ist das Landleben!