Imam von Lugano wertet Papstwahl als sehr positives Zeichen

Der neue Papst Franziskus erntet in der Schweiz Wohlwollen und weckt Hoffnungen – von den Bischöfen über die reformierte Kirche bis zur jüdischen Gemeinschaft. Auch der Imam von Lugano TI wertet die Wahl als «sehr positiv».

Fordert vom Papst einen Dialog mit der muslimischen Welt: Imam von Lugano (Archiv) (Bild: sda)

Der neue Papst Franziskus erntet in der Schweiz Wohlwollen und weckt Hoffnungen – von den Bischöfen über die reformierte Kirche bis zur jüdischen Gemeinschaft. Auch der Imam von Lugano TI wertet die Wahl als «sehr positiv».

Imam Radouan Jelassi sieht die für ihn überraschende Papstwahl als Zeichen für eine multikulturelle Welt. Er erwarte von Papst Franziskus Öffnung, Verständnis, Kenntnis und «einen Dialog mit der muslimischen Welt», sagte Jelassi auf Anfrage.

«Es liegt an den Führern der grossen Religionen mit ihrem grossen Auftrag, die Werte Friede und Respekt in der Welt zu verbreiten – ebenso wie eine friedliche Beziehung zwischen den Gemeinschaften.»

Der Schweizer Kardinal Koch hat einen «sehr positiven Eindruck» von Papst Franziskus. Dies sagte Koch am Donnerstag im Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Zuvor war Koch in Rom vor die Medien getreten.

Der Schweizer Kardinal hat Jorge Mario Bergoglio erst im Vorkonklave besser kennengelernt. Dort habe er ihn als «einfachen, demütigen und tiefgläubigen Menschen» erlebt.

Koch erwartet nun, dass Papst Franziskus «die Schritte tut, die für die Zukunft der Kirche wichtig sind». Welche Schritte dies sind, präzisierte er nicht. Franziskus müsse seine eigene Linie finden – «ich lasse mich überraschen».

Überrascht war Kurt Koch auch von der Namenswahl. «Von einem Jesuiten hätte ich eher Ignatius erwartet – nach dem Gründer des Jesuiten-Ordens». Der Name Franziskus – nach Franz von Assisi – sei jedoch ein Zeichen von Bescheidenheit, Demut und Freude.

Zurückhaltende Piusbrüder

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) hofft, dass es dem neuen Papst gelingt, Brücken zwischen den Kirchen zu bauen. Dies schreibt SEK-Präsident Gottfried Locher in einer Stellungnahme. Franziskus möge seine Autorität aus dem Gebet schöpfen und nicht aus der Hierarchie. «Und möge er mithelfen, dass die Schweizer Kirchen zueinander finden.»

Die ultrakonservativen Piusbrüder reagierten zurückhaltend auf die Wahl. «Die Priesterbruderschaft St. Pius X. bittet Gott anlässlich der Wahl von Papst Franziskus, dem neuen Oberhirten in reichem Mass die notwendigen Gnaden zu gewähren, die für die Ausübung seiner schweren Bürde notwendig sind», teilte die Bruderschaft mit. Auf theologische Konfliktthemen mit dem Vatikan ging sie nicht ein.

Der Basler Bischof Felix Gmür nennt die Wahl von Bergoglio eine «glückliche Überraschung». Bescheiden und volksnah bete er zuerst mit den Gläubigen und bitte diese um den Segen. Wie Gmürs Stellungnahme zu entnehmen ist, schätzt er insbesondere Franziskus‘ Engagement für die Armen: «So wird die Kirche immer mehr zur Gemeinschaft der Geschwisterlichkeit, der Liebe und des Vertrauens.»

Für das Bistum Chur ist der Name Franziskus «gewiss programmatisch», wie Bistumssprecher Giuseppe Gracia auf Anfrage der sda sagte. Franziskus habe eine grosse Liebe zur Kirche und zu den Menschen gehabt. «Er war gehorsam und stand für eine Kirche, die nicht weltlichen, sondern göttlichen Reichtum lebt.»

«Sehr offen» für jüdische Gemeinschaft

Zuversichtlich sind die katholischen Frauen. Franziskus gelte zwar als konservativ, sagte Frauenbundspräsidentin Rosmarie Koller-Schmid der sda. Doch sein erster Auftritt stimme von Inhalt und Stil her zuversichtlich: «Wir hoffen, dass er für Überraschungen gut ist und auch für die Frauen ein Gehör hat.» Dass er das Frauenpriestertum einführe, sei unrealistisch. «Aber es wäre schon viel, wenn er die Debatte über die Gleichstellung der Geschlechter in der Kirche lancieren würde.»

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) begrüsst die Wahl von Franziskus. Wie Vizepräsidentin Sabine Simkhovitch-Dreyfus auf Anfrage sagte, habe sich der neue Pontifex gegenüber der jüdischen Gemeinde in Argentinien «sehr offen» gezeigt.

Jorge Mario Bergoglio habe zu den Ersten gehört, der die jüdische Gemeinschaft unterstützt habe, als 1994 ein Attentat auf das jüdische Kulturzentrum in Buenos Aires verübt wurde. «Seine Wahl zum Papst ist ein gutes Zeichen für den interreligiösen Dialog», sagte Simkhovitch-Dreyfus.

Keine Vorschusslorbeeren

Vom kritischen Schweizer Theologen Hans Küng bekommt Franziskus keine Vorschusslorbeeren. «Die Gretchenfrage an den neuen Papst lautet: »Wie hältst Du’s mit Reformen?«», sagte Küng. «Führt er endlich die Reformen in der Kirche durch, die sich über Jahrzehnte unter seinen Vorgängern angestaut haben? Oder soll es im Grunde so weitergehen wie bisher?», sagte Küng.

Wenn Franziskus Reformen anpacke, sei ihm eine breite Zustimmung der Katholiken sicher. Sollte er aber die konservative Linie von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. fortsetzen, werde das in der Kirche «Reformen von unten provozieren, auch ohne Billigung durch die Hierarchie und oft sogar gegen die Vereitelungsversuche der Hierarchie», warnte der 84-Jährige.

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