Immer mehr Krankenversicherte zahlen ihre Prämien nicht. 2015 ist die Zahl der Nicht-Zahler gegenüber dem Vorjahr um 20,4 Prozent gestiegen. Ein Grund sind die steigenden Prämien. Die Folge: Die Kantone mussten 2015 rund 285 fehlende Millionen Franken berappen.
Die Zahlen zu den in den Kantonen ausstehenden Prämien hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusammengetragen. Im vergangenen Jahr stiegen die Krankenkassenprämien um 4 Prozent, während es 2014 lediglich 2,2 Prozent waren. 2014 wuchs die Zahl der Prämienschuldnerinnen und -schuldner gegenüber dem Vorjahr um gut 6 Prozent.
Prämienanstieg nicht einziger Grund
Doch der Prämienanstieg sei nicht der einzige Grund für die Versäumnisse, sagte BAG-Sprecherin Emmanuelle Jaquet. Man müsse auch die wirtschaftliche und persönliche Situation der Betroffenen betrachten, zum Beispiel der Verlust der Arbeitsstelle, eine Scheidung oder eine Krankheit.
Im Jahr 2015 nahmen die Auslagen der Kantone wegen nicht bezahlter Prämien um insgesamt 48,2 Millionen Franken zu. Zwischen 2008 und 2015 stiegen sie von 144 Millionen auf 285 Millionen Franken im Jahr. Diese Kurve entspricht dem Anstieg der durchschnittlichen Kosten für die Grundversicherung.
In der Aufstellung des BAG fehlen allerdings Angaben zu ein paar Kantonen. Mit 44,7 Millionen Franken wendete die Waadt 2015 am meisten für unbezahlte Prämien auf. Dahinter folgen Genf (40,1 Millionen) und Zürich (38,5 Millionen). Der Kanton Bern wendete 34,7 Millionen Franken auf und Basel-Stadt 13,2 Millionen.
1,76 Milliarden Verbilligungen
Trotz der Prämienverbilligungen, die 2015 insgesamt 1,76 Milliarden Franken betrugen, gibt es also zahlreiche Personen, die ihre Krankenkasse nicht bezahlen können oder wollen. Schlechte Zahler seien aber nicht unbedingt diejenigen, welche von Verbilligungen profitierten, sagt Jaquet. Auch werde normalerweise nicht die ganze Prämie übernommen.
Es komme zum Beispiel vor, dass für eine Person mit einer Franchise von 400 Franken und einer finanziellen Unterstützung von 200 Franken der Restbetrag immer noch zu hoch sei, sagte Jaquet. Um Missbräuche zu verhindern, würden die Verbilligungen seit drei Jahren direkt an die Versicherer überwiesen.
Die Ausgaben der Kantone decken die Prämien in der Grundversicherung, die Kostenbeteiligung sowie die Verzugszinsen und die Betreibungskosten. Seit dem 1. Januar 2012 müssen die Kantone 85 Prozent der nicht bezahlten Prämien übernehmen. Die übrigen 15 Prozent der Ausstände werden auf die Versicherungen abgewälzt.
Dieser Kompromiss wurde damals zwischen Kantonen und Versicherern ausgehandelt. Ziel war, zu verhindern, dass Krankenkassen ihre Leistungen gegenüber säumigen Zahlern aussetzten, sagt Sandra Kobelt vom Krankenkassenverband santésuisse.
Haben sie damit nicht Zahlungsmuffeln Tür und Tor geöffnet? Nein, denn die Versicherer unternähmen systematisch gerichtliche Schritte, wenn Prämien nicht bezahlt würden, heisst es dazu auf der Webseite «Assurance-Info». Und die Kantone intervenierten, sobald sie von den Kassen einen Verlustschein erhalten hätten.
Aufruf an den Bund
Trotzdem sind einige Kantone mit der Situation alles andere als zufrieden. Der Kanton Thurgau zum Beispiel wirft den Kassen vor, auf ihrem Buckel Gewinne zu machen. Wenn nämlich ein Versicherter der Kasse eine bestimmte Summe zurückerstattet, muss die Versicherung nur 50 Prozent des Betrags an die Kantone überweisen.
Der öffentlichen Hand könnten dadurch Verluste von bis zu 35 Prozent entstehen, während die Kasse entsprechend Gewinn mache, lautet die Thurgauer Rechnung. Da der Verlustschein in den Händen des Versicherers bleibe, habe die öffentliche Hand – im Thurgau die Gemeinden – keinen Einfluss auf die Eintreibung der Schulden.
Der Kanton Thurgau verlangt deshalb mit einer Standesinitiative, das Krankenversicherungsgesetz (KVG) anzupassen. Er schlägt vor, dass die öffentliche Hand die Verlustscheine selber bewirtschaften können soll. Santésuisse dagegen möchte laut Sprecherin Sandra Kobelt, dass mit den Kantonen spezifische Verträge geschlossen werden, so wie dies mit Basel-Landschaft und Neuenburg bereits erfolgt ist.