In Bern wird am Sonntag ein aussergewöhnliches, laut den Initianten mindestens innerhalb der Schweiz einmaliges Gebäude eingeweiht: Das Haus der Religionen. Unter seinem Dach wollen in den nächsten Jahren acht Religionsgemeinschaften mit- oder wenigstens nebeneinander leben.
Christen, Aleviten, Muslime, Hindus und Buddhisten beziehen in diesen Tagen ihre Kirche, ihren Dergah, ihre Moschee, ihren Tempel und ihr Zentrum, wie die Initianten des Hauses am Donnerstag bei einem Rundgang für die Medien bekanntgaben.
Ein Teil dieser Glaubensgemeinschaften verlässt nun Räume in Hinterhöfen oder Kellergeschossen und zieht in ein repräsentatives Glasgebäude im Westen Berns. Zehn Millionen Franken hat das Gebäude gekostet. Eine Berner Stiftung sorgte für die Finanzierung, die fünf Religionsgemeinschaften mussten für den Innenausbau aufkommen und zahlen Miete.
Auch Juden, Baha’i und Sikhs sind Mitglieder des Vereins «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen», der das Haus betreibt. Diese Gemeinschaften haben aber im Gebäude keine eigenen Sakralräume eingerichtet.
Das Haus der Religionen ist Teil eines grösseren Gebäudekomplexes mit Läden, Büros und Wohnungen mit dem Namen «Zentrum Europaplatz», in das die Zürcher Halter Unternehmungen 75 Millionen Franken investiert haben. Den Namen hat das Zentrum vom Platz, an dem es liegt.
Lange und bewegte Geschichte
Das Haus der Religionen hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Den Anstoss dafür gab ein Stadtplaner, der 1998 in einer Studie zur Entwicklung der westlichen Quartiere Berns Massnahmen gegen die Ausgrenzung der kulturellen und religiösen Minderheiten forderte. Im Westen Berns ist der Ausländeranteil besonders gross.
Die christliche Herrnhuter Brüdergemeinde Bern nahm den Ball auf und diskutierte die Idee an einem bereits bestehenden Runden Tisch der Religionen. 2002 wurde der Betreiberverein gegründet, 2006 die Stiftung, die nach anfänglich grossen Schwierigkeiten die Finanzierung sicherte.
Gerda Hauck, die Präsidentin des Betreibervereins, äusserte am Donnerstag Zuversicht, dass das Zusammenleben der verschiedenen Religionen im neuen Haus klappt, dass das Haus «lebt»: «Ein gemeinsames Dach bewirkt mehr, als Sie glauben», sagte sie.
Ausserdem ermögliche die Architektur des Gebäudes, dass die verschiedenen Gemeinschaften den Kontakt miteinander suchen, sich aber auch zurückziehen könnten – wie es ihnen gerade beliebe. Konzipiert ist das Gebäude nämlich so, dass auf den zwei Stockwerken die Sakralräume auf beiden Seiten eines für alle zugänglichen sogenannten «Dialogbereichs» angeordnet sind.
In diesen zentralen Räumen sind auch ein Restaurant und Seminarräume untergebracht, und dort sollen sich die verschiedenen Nutzer des Hauses begegnen können, wenn sie wollen. Sonst nutzen sie eben nur die Sakralräume, die teilweise über eigene Zugänge verfügen.
Vandalenakt gegen Muslimischen Verein
Ein Haus der Religionen in Bern ist an sich nichts Neues: Kleinere Vorgängergebäude im Sinne von Räumlichkeiten, in denen sich die Religionsgemeinschaften begegnen konnten, gab es schon mehrere. Neu ist, dass nun fünf Gemeinschaften gemeinsam teilweise stattliche Räume beziehen, für deren Gestaltung beispielsweise die Hindus extra Handwerker aus Indien einflogen.
Auch der Muslimische Verein Bern verlässt demnächst seine Räume im Länggassquartier und zieht an den Europaplatz. An ihm zeigt sich, dass nicht alle das Projekt gut finden: Im Oktober brachen Unbekannte in die heutige Moschee des Vereins ein, zerstörten ein Modell der Europaplatz-Moschee und verunstalteten ein Bild des Imams.
Dieser führt die Taten auf den geplanten Umzug des Vereins ins Haus der Religionen zurück, wie er am Donnerstag auf Anfrage Medienberichte bestätigte. Tagtäglich werde der Verein von konservativen Leuten für diese Pläne kritisiert, so Imam Mustafa Memeti. Er stehe aber nach wie vor zu den Umzugsplänen.