In Griechenland gefundenes Mädchen nicht auf Interpol-Suchliste

Nach der Entdeckung eines blonden Mädchens in einem Roma-Lager in Griechenland hat der Athener Bürgermeister den Leiter des Geburtenregisters vom Dienst suspendiert. Der Fall des «blonden Engels», wie die griechische Presse das Mädchen nennt, gibt viele Rätsel auf.

Das als "Maria" bekannte Mädchen und ihre mutmasslichen Entführer (Bild: sda)

Nach der Entdeckung eines blonden Mädchens in einem Roma-Lager in Griechenland hat der Athener Bürgermeister den Leiter des Geburtenregisters vom Dienst suspendiert. Der Fall des «blonden Engels», wie die griechische Presse das Mädchen nennt, gibt viele Rätsel auf.

So wird das mutmasslich entführte Mädchen nicht von der internationalen Polizeibehörde Interpol gesucht. Dies berichteten Medien in Griechenland am Dienstag unter Berufung auf Polizeiquellen. Demnach beantwortete die Interpol-Zentrale im französischen Lyon eine Anfrage der griechischen Polizei negativ.

Die von den Behörden eingesandten DNA-Proben stimmten nicht mit dem Erbgut von 606 weltweit vermissten Personen überein, das Interpol vorliegt. Auf der Interpol-Liste seien auch 61 Kinder im ungefähren Alter des in Griechenland gefundenen Mädchens, hiess es.

Unterdessen machen sich viele Eltern vermisster Kinder in Europa Hoffnung, die etwa Fünfjährige könnte ihre Tochter sein. So haben sich Behörden aus mindestens sieben europäischen Ländern und aus Griechenland selbst Medienberichten zufolge mit DNA-Proben an die Behörden in Athen gewandt. Eingehend geprüft werden etwa Fälle aus den USA, Schweden, Polen und Frankreich.

Kindergeld ergaunert

Das blonde Mädchen war am Donnerstag in einer Roma-Siedlung in Griechenland entdeckt worden. Das Paar, bei dem die Kleine lebte, sitzt seit Montag wegen des Verdachts auf Kindesentführung in Untersuchungshaft. Es hatte nach Polizeiangaben insgesamt 14 Kinder angemeldet, um illegal Kindergeld zu kassieren.

Dafür legten die 40-Jährige und der 39-Jährige den Behörden meist falsche Dokumente vor. Nach Angaben von Athens Bürgermeister Jorgos Kaminis könne es eine «beträchtliche Anzahl» solcher Fälle geben.

Vor dem Haftrichter sagten die beiden laut Berichten aus, ein Paar aus Bulgarien habe ihnen das Kind anvertraut, weil es das Mädchen nicht grossziehen konnte.

Spur nach Bulgarien?

Einen möglichen Zusammenhang mit Bulgarien will nach Medieninformationen auch die griechische Polizei nicht ausschliessen. Demnach könnte das Mädchen den Roma in die Hände gefallen sein, als in Bulgarien ein Ring von Kriminellen ausgehoben wurde, der von 2008 bis 2010 illegale Adoptionen vermittelte.

Maria lebt jetzt in der Obhut der Kinderschutzorganisation «Das Lächeln des Kindes». Hier laufen unterdessen die Drähte heiss: «Wir hatten seit Freitag mehr als 8000 Anrufe und E-Mails, und unsere Website wurde bestimmt über 250’000 Mal besucht», sagte eine Sprecherin der Organisation der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag.

Einige der Anrufer hätten Hinweise gegeben, die an die Polizei weitergeleitet worden seien. Viele hätten aber auch nur ihre Anteilnahme ausgedrückt.

Athens

Standesämter überprüfen

Unterdessen wurde bekannt, dass der Fall in der Athener Stadtverwaltung zu personellen Konsequenzen geführt hat. Bürgermeister Kaminis hat vier Beamte suspendiert – darunter den Leiter des Geburtenregisters.

Das Auffinden des Mädchens hatte «Mängel auf allen Ebenen aufgedeckt» und grosse Unregelmässigkeiten vor allem im Athener Standesamt aufgezeigt. Dort war das Kind erst in diesem Frühjahr unter Vorlage falscher Papiere angemeldet worden.

Am Dienstag ordnete die Staatsanwaltschaft beim Obersten Gericht laut Medienberichten eine Untersuchung in sämtlichen Standesämtern des Landes an. Es solle geprüft werden, wo in den letzten fünf Jahren Kinder nur unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen angemeldet wurden und ob Menschenhandel, Kindesentführung und Sozialbetrug mit Kindergeldern vorliegen könnten.

Bisher war es bei Hausgeburten möglich, durch die Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen von Zeugen ein Kind anzumelden. Diese Regelung machten sich auch die Zieheltern der kleinen Maria zunutze, als sie das Kind in Athen registrieren liessen.

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