Unter dem Eindruck anhaltender Gewalt in Syrien haben Vertreter von 17 Staaten in München um eine Waffenruhe gerungen. Russlands Aussenminister Sergej Lawrow sagte beim vorgängigen Treffen mit seinem US-Kollegen John Kerry, Moskau habe konkrete Vorschläge vorgelegt.
Washington hatte eine umgehende Waffenruhe verlangt. Russland hatte jedoch vor dem Treffen in München einen Beginn auf den 1. März ins Gespräch gebracht. Um diese Frage wurde offenbar bis in die späten Abendstunden in München gerungen. Ein Termin für eine Medienorientierung wurde deshalb verschoben. Aus US-Diplomatenkreisen hiess es am Donnerstagabend, Washington beharre weiterhin auf einer «sofortigen Waffenruhe».
Der Syrien-Kontaktgruppe gehören neben 17 Staaten die Vereinten Nationen, die Arabische Liga und die Europäische Union an. Die Fronten zwischen der syrischen Staatsführung, die insbesondere von Russland und dem Iran unterstützt wird, und ihren Gegnern sind verhärtet. Friedensgespräche in Genf wurden zuletzt auf das Monatsende vertagt.
Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini appellierte an alle Beteiligten: «Es geht hier nicht nur um Diplomatie, es geht um Menschenleben. Das wird kein leichtes Treffen, aber es wird ein wichtiges für die Zukunft Syriens sein, die nun in unseren Händen liegt.»
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, angesichts der komplexen Lage müsse alles unternommen werden, um den Frieden zu sichern. Russland erklärte, bei dem Treffen in München könnte über eine Waffenruhe gesprochen werden.
Waffenruhe vorgeschlagen
Insidern zufolge hatte Russland eine Waffenruhe ab dem 1. März vorgeschlagen. Allerdings hätten die USA Bedenken. Der stellvertretende russischen Aussenminister Gennadi Gatilow stellte einer Agenturmeldung zufolge zudem die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen vor dem 25. Februar in Aussicht.
Der Bürgerkrieg in Syrien tobt seit rund fünf Jahren. Einer Studie zufolge sind ihm 470’000 Syrer zum Opfer gefallen. Das berichtete der britische «Guardian» unter Berufung auf das Syrische Zentrum für Politikforschung.
400’000 Menschen wurden demnach bei Kampfhandlungen getötet. Weitere 70’000 seien ums Leben gekommen, weil sie keine ausreichende medizinische Versorgung, sauberes Wasser oder Unterkünfte gehabt hätten.
Vormarsch dank Russen
Seit dem Eingreifen der russischen Luftwaffe auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad im September sind den Regierungstruppen grosse Geländegewinne gelungen. Im Moment konzentriert sich der Kampf auf die Region Aleppo.
Die Rückeroberung der einstmals grössten Stadt Syriens wäre ein strategischer Erfolg für Assad, dessen Truppen auch vom Iran unterstützt werden. Die Regierungstruppen haben den zur türkischen Grenze führenden Korridor bereits abgeriegelt, über den die Rebellen versorgt wurden.
Erdogan spricht von weiteren 600’000 Flüchtlingen
Die Kämpfe haben zu einer neuen Fluchtwelle geführt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte, wenn die Luftangriffe fortgesetzt würden, könnte es weitere 600’000 Flüchtlinge geben.
Ausserdem besteht nach Einschätzung der Vereinten Nationen die Gefahr, dass Hunderttausende Menschen nicht mehr versorgt werden könnten. Das betreffe insbesondere Menschen in Aleppo und in den Rebellengebieten im Norden der Provinz Homs.
Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew warnte die Anti-IS-Koalition vor der Entsendung von Bodentruppen nach Syrien. Alle Seiten müssten «gezwungen werden, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen anstatt einen neuen Weltkrieg auszulösen», sagte er der deutschen Zeitung «Handelsblatt» vom Freitag. Unter anderem Saudi-Arabien hatte zuletzt angeboten, unter US-Führung Soldaten nach Syrien zu schicken.