Überschattet von Gewalt hat in Syrien am Montag die erste Parlamentswahl nach der formellen Einführung eines Mehrparteiensystems stattgefunden. Rund 14 Millionen Syrer waren aufgerufen, die 250 Sitze des Parlaments in Damaskus zu vergeben.
Insgesamt hatten neun Parteien eine Lizenz erhalten, doch nicht alle traten zur Wahl an. 7200 Kandidaten bewarben sich um ein Mandat.
Mit einer Verfassungsänderung war im Februar die Alleinherrschaft der regierenden Baath-Partei von Staatschef Baschar Assad offiziell beendet worden. Doch auch das neue Parlament bleibt schwach.
Regime mit „neuem Make-up“
Die Macht bleibt in den Händen der Assad-Familie. Kritiker gehen davon aus, dass die Wahl und auch die Kandidaten vom Regime gesteuert wurden.
„Die Führung ist wie eine wirklich alte Frau, die versucht, Make-up aufzutragen“, sagte der Aktivist Mussab Alhamadee aus Hama der Nachrichtenagentur AP am Telefon. Die meisten syrischen Oppositionspolitiker sitzen entweder im Gefängnis oder sind im Exil.
Opposition: absurde Wahl
Die Opposition hält die Wahl für eine Farce an und rief zum Boykott auf. „Derjenige, der Syrien in Blut badet, zwei Millionen Syrer zur Flucht gezwungen hat und auf das syrische Volk schiessen lässt, hat kein Recht, die Verfassung zu ändern, ein Wahlgesetz zu erlassen oder Wahlen anzusetzen“, erklärte der Syrische Nationalrat. Assad müsse gestürzt werden, die Wahl sei „absurd“.
Trotzdem hoffen einige Wähler auf einen Wandel. Hind Chalil sagte, sie gäbe ihre Stimme Unabhängigen und den neuen Parteien. „Sie haben frische Ideen, die einen Wandel bringen könnten“, sagte die 23-Jährige in Damaskus.
„Ich habe die Neuen gewählt, weil sie frische Ideen haben und sich von der älteren Generation unterscheiden“, sagte der in Damaskus lebende Mohammed Hassan. Diejenigen, die zum Boykott aufgerufen haben, nannte der 25-Jährige „Agenten des Westens“. Er schloss sich damit der Lesart der Regierung an.
Die Wahllokale sollten bis 22 Uhr Ortszeit (21 Uhr MESZ) geöffnet bleiben. Das Wahlergebnis wird frühestens am Dienstagabend erwartet.
Gemäss Beobachtern war der Andrang vor den Wahllokalen eher gering. Dagegen stellte die Regierung eine „beachtliche Wahlbeteiligung“ fest. Ungewiss blieb, ob auch in den umkämpften Regionen gewählt wurde. In verschiedenen Landesteilen fanden laut Aktivisten Streiks statt, um die Wahl zu boykottieren.