Die Welthandelsorganisation (WTO) ist mit dem Versuch gescheitert, das erste globale Abkommen über Handelserleichterungen in ihrer rund 20-jährigen Geschichte unter Dach und Fach zu bringen. Grund für das Scheitern ist der Widerstand Indiens.
Die fristgerechte Unterzeichnung eines Protokolls, mit dem Vereinbarungen der Welthandelskonferenz auf Bali im vergangenen Dezember besiegelt werden sollten, scheiterte in der Nacht zum Freitag, wie WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo erklärte.
«Wir waren nicht in der Lage, eine Lösung zu finden, mit der wir den Graben hätten überbrücken können», sagte Azevêdo bei einer nächtlichen Sitzung der Vertreter der 160 WTO-Mitgliedsstaaten in Genf. Zuvor hatten US-Aussenminister John Kerry und die US-Handelsministerin Penny Pritzker noch versucht, die Regierung in Neu Delhi umzustimmen.
Dauerhafte Verbilligungs-Möglichkeit gefordert
Indiens neue Führung will – entgegen Zusagen ihrer Vorgänger – das Protokoll zum Abkommen von Bali über Handelserleichterungen nur noch dann unterzeichnen, wenn dem Land dauerhaft eine Ausnahmegenehmigung für die Subvention von Grundnahrungsmittel für Millionen von Armen eingeräumt wird.
Auf Bali hatte sich Indien noch mit einem Übergangszeitraum bis 2017 einverstanden erklärt. In dieser Zeit sollte eine dauerhafte Regelung für staatliche Agrarsubventionen erarbeitet werden. Diese verlangte Neu Delhi nun schon jetzt, was die Mehrheit der WTO-Staaten ablehnte.
Mit dem sogenannten Bali-Paket waren grosse Hoffnungen verbunden, die Rede war von einem «historischen Durchbruch»: Die angestrebten Handelserleichterungen sowie mehrere weitere Vereinbarungen könnten nach Einschätzung der Internationalen Handelskammer (ICC) Wachstumsimpulse im Umfang von bis zu einer Billion Dollar ermöglichen. Dadurch könnten laut ICC weltweit 21 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die meisten in Entwicklungsländern.
Schlechte Aussichten für WTO
Demgegenüber droht die WTO nun nach Einschätzung von Diplomaten, erneut in eine Sackgasse zu geraten. Die Organisation laufe Gefahr, in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten, sollte sie sich weiterhin als unfähig erweisen, den Welthandel durch Abkommen zum Abbau von Zollschranken und anderen Hemmnissen für den Warenaustausch anzukurbeln, hiess es in Genf.
Darunter würden allerdings weniger die grossen Volkswirtschaften leiden, sagte Azevêdo. Sie hätten andere Optionen, um ihre Handelsbeziehungen voranzubringen. Leidtragende des endgültigen Scheiterns der Bemühungen um ein globales Abkommen wären in erster Linie Entwicklungsländer. «Ich fürchte, dass es die kleineren und verletzlichen Volkswirtschaften sind, die leiden werden.»
Der WTO-Chef rief alle Delegationen auf, trotz des Verstreichens der auf Bali gesetzten Frist für die Protokollunterzeichnung nicht alles verloren zu geben. Die Sommerpause der WTO solle für «Reflexionen» genutzt werden, um im September die Suche nach einer Kompromisslösung erneut aufzunehmen.