Indien steht vor historischem Regierungswechsel

Indien steht vor einem historischen Regierungswechsel. Während die altehrwürdige Kongresspartei ein Wahldebakel erleidet, wird bei den Hindu-Nationalisten gejubelt. Sie können mit einem erdrutschartigen Sieg rechnen.

Grund zum Jubel: Anhänger der BJP-Partei feiern Wahlsieg (Bild: sda)

Indien steht vor einem historischen Regierungswechsel. Während die altehrwürdige Kongresspartei ein Wahldebakel erleidet, wird bei den Hindu-Nationalisten gejubelt. Sie können mit einem erdrutschartigen Sieg rechnen.

Die bisherige Oppositionspartei BJP und ihr unternehmerfreundlicher Spitzenkandidat Narendra Modi könnten nach Hochrechnungen 279 der 543 Parlamentssitze und damit eine absolute Mehrheit im indischen Unterhaus erreichen. Dies hatte sei 30 Jahren keine Partei mehr geschafft.

Die Kongresspartei, die seit Indiens Unabhängigkeit mit Ausnahme von 13 Jahren die Geschicke des Landes bestimmte, gestand ihre Niederlage ein. Der scheidende Premierminister Manmohan Singh gratulierte Modi telefonisch, wie sein Büro über den Kurzbotschaftendienst Twitter mitteilte. Der 81-jährige Wirtschaftswissenschaftler will sich künftig aus der Politik zurückziehen.

Modi verspricht «gute Zeiten»

Modi, der in Kürze zum Premier aufsteigen dürfte, zeigte sich nach dem Wahlsieg als erstes seinen Anhängern in seinem Wahlkreis Vadodara im westindischen Bundesstaat Gujarat. «Gute Zeiten werden kommen», rief er tausenden jubelnden Menschen zu und dankte ihnen für ihre «Liebe». Zuvor hatte der 63-jährige Junggeselle bereits über Twitter verkündet: «Indien hat gewonnen.»

Der umstrittene Hindu-Nationalist hat sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet. Während seiner dreifachen Amtszeit als Regierungschef des Bundesstaats Gujarat schuf er von sich das Image als effizienter Verwalter, der durch eine wirtschaftsliberale Politik hohe Wachstumsraten begünstigte.

Doch Modi hängt die Erinnerung an die anti-muslimischen Pogrome nach, bei denen zu Beginn seiner Amtszeit 2002 in Gujarat mindestens tausend Menschen getötet worden waren. Untersuchungen zeigten, dass die Gewalt massgeblich von BJP-Politikern angefacht und gesteuert worden war.

Bei Minderheiten und säkularen Aktivisten stösst er deshalb bis heute auf Vorbehalte. Doch gelang es ihm im Wahlkampf, die meisten Wähler mit seinem Versprechen für sich zu gewinnen, die trudelnde Wirtschaft anzukurbeln. Entsprechend hoch sind nun die Erwartungen.

Feuerwerk und Süssigkeiten

«Das ist der Beginn einer neuen Ära», sagte der führende BJP-Vertreter Prakash Javadekar am Parteisitz der Nachrichtenagentur AFP. Überall im Land feierte die BJP mit Feuerwerk den überraschend deutlichen Sieg.

Vor der BJP-Parteizentrale in Neu Delhi trommelten, sangen und tanzten die Menschen den ganzen Tag lang ununterbrochen. «Modi, Modi», riefen sie. Köche hatten 2,5 Tonnen Laddus vorbereitet, kugelige Süssspeisen, die traditionell bei Feiern gegessen werden. Die Menschen steckten sie sich gegenseitig in den Mund – ein Ritual in Indien, um sich zu gratulieren.

Dagegen herrschte bei der Kongresspartei Katerstimmung. Nach zehn Jahren an der Macht ist sie durch zahlreiche Korruptionsaffären geschwächt, ihr Spitzenkandidat Rahul Gandhi von der Gandhi-Dynastie galt als führungsschwach. Anhänger seiner Partei riefen am Freitag bereits nach seiner populäreren Schwester Priyanka als Nachfolgerin.

Grösste Wahl der Menschheitsgeschichte

Insgesamt hatten sich seit Anfang April mehr als eine halbe Milliarde Inderinnen und Inder an der Wahl beteiligt, 815 Millionen waren wahlberechtigt. Damit handelte es sich um die grösste Wahl der Menschheitsgeschichte. Die Wahlbeteiligung lag mit 66 Prozent so hoch wie nie zuvor in Indien. Angetreten waren 8251 Kandidaten, darunter 668 Frauen und 5 Transsexuelle.

Aus logistischen und Sicherheitsgründen wurde die Wahl in mehreren Etappen abgehalten, dennoch wurde sie immer wieder von Anschlägen und Angriffen überschattet.

Die Wahlkommission erwartete, die 1,8 Millionen elektronischen Wahlmaschinen an einem Tag komplett auszulesen. Wann die Endergebnisse vorliegen, war zunächst unklar.

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