Initiative für steuerfreie Kinderzulagen mit 75,4 Prozent abgelehnt

Kinder- und Ausbildungszulagen müssen weiterhin versteuert werden. Die CVP-Initiative, die die Steuerbefreiung dieser Zulagen verlangte, ist mit 75,4 Prozent abgelehnt worden. Das klare Scheitern eines Kernanliegens bedeutet für die CVP im Wahljahr eine Niederlage.

Eine junge Familie am Frühstückstisch (Archiv) (Bild: sda)

Kinder- und Ausbildungszulagen müssen weiterhin versteuert werden. Die CVP-Initiative, die die Steuerbefreiung dieser Zulagen verlangte, ist mit 75,4 Prozent abgelehnt worden. Das klare Scheitern eines Kernanliegens bedeutet für die CVP im Wahljahr eine Niederlage.

Die Zustimmung für die Initiative «Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» fiel sehr tief aus: Rund 537’700 Stimmberechtigte sagten Ja, 1’650’200 legten ein Nein in die Urne. Die Stimmbeteiligung lag bei 42 Prozent. Von den insgesamt 23 Standesstimmen entfiel keine einzige auf die Initiative.

Am deutlichsten wurde das Volksbegehren in Glarus verworfen, wo über 83 Prozent der Stimmberechtigten Nein sagten. In Bern, Zürich und Appenzell Ausserrhoden waren nahezu 80 Prozent gegen die Initiative, in fast allen anderen Kantonen lag der Anteil Nein-Stimmen über 70 Prozent.

Am besten kam das Anliegen im Jura an, wo die CVP stark vertreten ist. Dort lag der Ja-Stimmenanteil bei fast 43 Prozent. In Freiburg und im Wallis stimmten über 32 Prozent der Initiative zu. In den Deutschschweizer CVP-Hochburgen Appenzell Innerrhoden und Obwalden hingegen lag die Zustimmung kaum über 20 Prozent. Auch der Kanton Zug, dessen CVP-Finanzdirektor Peter Hegglin sich gegen die Initiative engagiert hatte, sagte mit 77,8 Prozent Nein.

Die Deutlichkeit des Resultats ist eine Überraschung, das Scheitern hatte sich jedoch abgezeichnet. Gemäss der ersten SRG-Trendumfrage hätte Mitte Januar eine Mehrheit der Initiative zugestimmt. Einen Monat später war der Anteil der Befürworter auf 40 Prozent geschrumpft, eine Mehrheit fand die Initiative nur noch bei der CVP-Wählerschaft.

Keine Zeit für Experimente

Dieser Trend hat sich in den letzten Wochen offenbar noch verstärkt. Für den Politologen Claude Longchamp ist die schwindende Zustimmung unter anderem eine Folge der Aufhebung des Euro-Mindestkurses: «Es sind Zeiten angebrochen, in denen man nicht mehr experimentieren will», sagte er gegenüber Radio SRF.

Bei Bund und Kantonen, der Mehrheit der Parteien und vielen Organisationen war die Initiative schon vorher auf Widerstand gestossen. Unterstützung fand die CVP bei der SVP, deren Lavieren dürfte aber nicht nur genützt haben: Die SVP hatte die Initiative im Parlament mehrheitlich abgelehnt, später aber eine Kehrtwende vollzogen und die Annahme empfohlen. Elf SVP-Kantonalparteien gaben dennoch die Nein-Parole aus.

Die Gegner hingegen traten geschlossen und engagiert gegen die Initiative an. Zu ihnen gehörten Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und die kantonalen Finanzdirektoren. Für sie ging es um viel Geld: Gemäss Berechnungen der Verwaltung hätte die Steuerbefreiung von Kinder- und Ausbildungszulagen den Bund 200 Millionen Franken pro Jahr gekostet, Kantone und Gemeinden 760 Millionen Franken. Die Steuerausfälle hätten sich also auf rund eine Milliarde Franken summiert.

Kinderzulagen statt Lohn

Die Gegner der Initiative brachten im Abstimmungskampf noch eine deutlich höhere Zahl in Umlauf. Sie befürchteten, dass Arbeitgeber dazu übergehen könnten, die steuerbaren Löhne zu senken und stattdessen höhere steuerfreie Kinderzulagen zu zahlen. So oder so hätten die Steuerausfälle aber aus anderen Quellen hereingeholt oder eingespart werden müssen. Und das hätte nach Ansicht der Gegner vor allem Familien mit tiefen Einkommen getroffen.

Die CVP war anderer Meinung: Sie argumentierte, dass das Geld, welches Unternehmen an die Familien zahlten, gar nie für den Staat bestimmt gewesen sei. Diesem entgingen daher keine Steuern, sondern «ungerechtfertigt angeeignete Familienzulagen», wie es Parteipräsident Christophe Darbellay formulierte.

Wer in welchem Umfang von der Initiative profitiert hätte, blieb umstritten. Beide Seiten hatten Zahlenbeispiele, die ihre Argumente stützten. Widmer-Schlumpf etwa führte ein Zweiverdienerehepaar mit zwei fremdbetreuten Kindern ins Feld. Diese Familie zahlt überhaupt erst Bundessteuern, wenn sie über 126’000 Franken verdient. Darum würde sie auch erst ab diesem Einkommen einen Vorteil aus einer Steuerbefreiung ziehen.

Nach Ansicht der Finanzministerin hätten vor allem Familien mit hohen Einkommen und damit die Falschen von der Steuerbefreiung profitiert. Die Finanzministerin erinnerte im Abstimmungskampf auch immer wieder daran, dass sich die in den letzten Jahren beschlossenen steuerlichen Entlastungen für Familien auf 3,5 Milliarden Franken pro Jahr summierten.

Laut CVP hätten die meisten Familien profitiert

Die CVP hingegen konnte aufzeigen, dass in Zürich eine Familie mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 50’000 Franken jährlich 710 Franken Kantonssteuern sparen würde. Nach ihren Berechnungen hätten rund 1 Million der 1,15 Millionen Haushalte mit Kindern direkt von der Initiative profitiert.

Die CVP, die in den letzten hundert Jahren erst drei Initiativen eingereicht hat, lancierte die Initiative für Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen im Wahljahr 2011. Sie löste damit das Versprechen ihres «Wahlvertrags» ein, die Kaufkraft der Familieneinkommen zu stärken.

Mit demselben Ziel wurde gleichzeitig die Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe gestartet. Diese ist derzeit im Parlament hängig. Ob die CVP mit diesem Anliegen bei der Stimmbevölkerung punkten kann, wird sich erst nach den Wahlen im Herbst zeigen.

Nächster Artikel