Initiativen sollen auch Grundrechten entsprechen müssen

Verletzen Volksinitiativen den Kerngehalt der Grundrechte, soll das Parlament sie künftig noch vor einer Abstimmung für ungültig erklären können. Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat mit Stichentscheid seines Präsidenten angenommen.

Blick in den Nationalratssaal (Archiv) (Bild: sda)

Verletzen Volksinitiativen den Kerngehalt der Grundrechte, soll das Parlament sie künftig noch vor einer Abstimmung für ungültig erklären können. Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat mit Stichentscheid seines Präsidenten angenommen.

Heute kann die Bundesversammlung eine Initiative nur für ungültig erklären, wenn sie zwingendem Völkerrecht widerspricht – etwa dem Verbot der Folter, des Völkermords oder der Sklaverei. Neu sollen Volksbegehren auch den Kerngehalt der Grundrechte respektieren, die in der Bundesverfassung festgelegt sind.

Die Diskussion im Ständerat drehte sich vor allem um die Frage, ob die Volksrechte eingeschränkt werden sollen oder nicht. Die Minderheit war der Meinung, dass jeder weitere Ungültigkeitsgrund die Volksrechte beschneide.

Zum Kerngehalt von Grundrechten gehören für den Bundesrat etwa das Verbot der Todesstrafe, das Verbot, Lügendetektoren zu verwenden oder das Verbot der Zwangssterilisation.

Auch ist die Zwangsheirat verboten, oder der Zwang, einer Religionsgemeinschaft angehören zu müssen. Weiter gehören das Verbot der systematischen Vorzensur von Medien, die Zwangsarbeit und die Zwangsexilierung von Schweizern zum Kerngehalt.

Bundesrat muss Verfassungsänderung vorschlagen

Die Motion geht auf Berichte des Bundesrates zurück, die er im Auftrag des Parlaments verfasst hatte. Darin machte er zwei ganz konkrete Vorschläge, wie der Widerspruch zwischen dem verfassungsmässigen Initiativrecht und den völkerrechtlichen Verpflichtungen verhindert oder vermindert werden könnte.

Den ersten Vorschlag hat das Parlament bereits angenommen: Vor Beginn der Unterschriftensammlung soll künftig die Bundesverwaltung die Gültigkeit der Initiative prüfen. Erachtet die Verwaltung die Initiative als ungültig, können die Initianten diese umformulieren. Verzichten sie darauf, werden die Unterschriftenbögen mit einem Warnhinweis versehen. Der Bundesrat muss noch die rechtlichen Grundlagen dafür ausarbeiten.

Für die nun überwiesene Motion muss der Bundesrat eine Verfassungsänderung ausarbeiten. Die offene Formulierung der Motion, wonach „zum Beispiel“ der Kerngehalt der Grundrechte „oder der Kerngehalt der Europäischen Menschenrechtskonvention“ respektiert werden müssen, lässt dem Bundesrat gewissen Spielraum. Dieser zieht die Grundrechte vor. Das letzte Wort hat das Volk.

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