Integration von IV-Rentnerinnen heisst: Funktionieren müssen

Durch Krankheit arbeitsunfähig gewordene Menschen sollen integriert werden. Dabei geht es weniger um gesellschaftliche Teilhabe, sondern vielmehr um die Anpassung an das vorgeschriebene Raster.

Für die meisten Menschen mit Behinderung ist es schwer, auf dem Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. (Bild: Livio Marc Stöckli)

Durch Krankheit arbeitsunfähig gewordene Menschen sollen integriert werden. Dabei geht es weniger um gesellschaftliche Teilhabe, sondern vielmehr um die Anpassung an das vorgeschriebene Raster.

Viele wurden in die IV-Rente abgeschoben, um Arbeitgeber und RAV zu entlasten. Einigen hat es im finanziellen Existenzkampf geholfen. Doch während innen und aussen nicht mehr in Einklang waren, sind viele bei Erwerb, gesellschaftlichem Ansehen und Teilhabe gescheitert. 


Der Spardruck brachte die 6. IV-Revision. Nachdem die Betroffenen zunächst zu einem blossen Verwaltungsakt degradiert wurden, wird Gescheiterten und Entwerteten jetzt Funktion abverlangt. Im Arbeitstraining wird Folgsamkeit und Anpassungsfähigkeit überprüft von Beratern, Ärzten und Gutachtern. Wer sich fügt (und fügen kann), bekommt das Gnadenbrot: Integration.
 Die Grunderkrankungen sind plötzlich unwichtig.

Das Stigma bleibt und der Selbstwert wird weiter traktiert. Mit Überwachung, Misstrauen und unterstellter Simulation sowie angeblichem Renten-Missbrauch wird nachgedoppelt. Vor und während dem Sprung ins kalte Wasser. Und wer trotz Zumutbarkeit und Training scheitert, kann zurückgegeben werden. Oder wandert in die Sozialhilfe.

Vorgesetzte und Arbeitskollegen und -kolleginnen werden kaum aufgeklärt oder weitergebildet. Ihre entwürdigenden Vorurteile bleiben unbearbeitet. Dafür bekommen wir Ratschläge, wie wir unsere Lücken im CV verstecken können. 
Unsere erworbenen Fähigkeiten wie z.B. Resilienz, Durchhaltevermögen und Eigensinn sind obsolet. Unser Anderssein muss erträglich unauffällig sein. Was uns an Arbeit angeboten wird, falls überhaupt, lässt sich ahnen. Es reicht, wenn einige von uns ein wenig dazugehören. Der Rest fällt sowieso durch die Maschen oder in andere Abhängigkeiten. Vom Lohn schweige ich.

Zusammenhänge von Gesundheit, Selbstwert und Erfüllung werden negiert. Ausgerechnet bei Menschen, die meist deswegen schon mal aus der Erwerbsfähigkeit fielen. Scheitern wir, war es voraussehbar.

Dabei wären wir zum Beispiel geübt im Krisenmanagement, Durchhalten, Scheitern und Wiederaufstehen. Wir könnten vieles einbringen in eine Gesellschaft, die Ausgrenzung und Integration nur am Mehrwert für die Mehrheit misst.

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