Ordnungshüter wird es wahrscheinlich nicht freuen: Mit einer smarten Sprühdose können auch unerfahrene Sprayer aufwendige Graffiti erzeugen. Die Technik erfunden haben Forschende der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Disney Research Zurich und amerikanischen Kollegen.
Die smarte Sprühdose sei eine neue Wendung im Computer-assistierten Malen, schrieb das an der Entwicklung beteiligte Dartmouth College in einer Mitteilung. Die smarte Dose sprühe im Prinzip grosse Fotos und könnte in der digitalen Fabrikation, der Kunst oder anderen Bereichen zum Einsatz kommen.
Das Team um Olga Sorkine-Hornung von der ETH Zürich und Wojciech Jarosz – ehemals bei Disney Research Zurich, jetzt am Dartmouth College – wollten eine Technik erfinden, die es auch künstlerisch weniger versierten Personen erlaubt, Fotos als grosse Wandgemälde zu reproduzieren. Sie entwickelten daher ein Computer-gestütztes System, das mit einer normalen Farbsprühdose kombiniert werden kann.
Sprühkopf automatisch bedient
Das System registriert die Position der Dose im Verhältnis zur Oberfläche, auf der das Graffiti entstehen soll. Gleichzeitig weiss es, welches Bild am Ende herauskommen soll. Während man also die vorprogrammierte Sprühdose vor der Wand hin und her bewegt, bedient das System automatisch den Knopf, um zu sprühen oder das Sprühen abzustellen, wann es nötig ist.
Der Prototyp sei schnell und leichtgewichtig, so die Mitteilung. Ein Servomotor, der den Sprühkopf kontrolliere, erhalte seine Anweisungen per Funk von einem Computer in der Nähe. Auf dem Computer berechne ein Algorithmus in Echtzeit, wie viel es von der aktuell benutzten Farbe an der jeweiligen Stelle der Wand braucht.
Dabei muss der Graffiti-Künstler oder die Künstlerin das Bild nicht kennen, es entsteht wie durch Magie von selbst, während er oder sie die Sprühdose vor der Leinwand oder Wand bewegt.
Test auf Papier in Gebäude-Grösse
Da es schwierig war, die Erlaubnis zu bekommen, Hochschulgebäude zu besprühen, benutzten die Forschenden grosse Papierblätter, die sie zu Gebäudewand-Grösse zusammenlegten. Obwohl die Methode bisher nur auf flachem Untergrund funktioniert, könnte man sie weiterentwickeln, um Bilder auf komplexen, unebenen Flächen zu sprühen.
«Unser Ansatz ist wie eine moderne Variante von ‚Malen nach Zahlen‘ fürs Sprayen», sagte Jarosz in der Mitteilung. «Wir wollten die ästhetischen Aspekte und die Haptik vom Sprayen bewahren, aber gleichzeitig unerfahrenen Nutzern ermöglichen, ein physisches Kunstwerk zu erzeugen.»
Dass die Technik eine Welle von Riesen-Graffiti im öffentlichen Raum auslöse, halten die Forschenden laut der Mitteilung indes für unwahrscheinlich. Sie stellten ihre Erfindung kürzlich im Fachjournal «Computer & Graphics» vor.