In den internationalen Medien stösst die Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Mario Bergoglio zum neuen Papst auf ein mehrheitlich positives Echo. Viele Kommentatoren sehen mit seiner Wahl eine Chance für eine echte Reform der katholischen Weltkirche gekommen – in einer Zeit grosser und schwieriger Herausforderungen.
ITALIEN: Der rechtsliberale Mailänder «Corriere della Sera» würdigt den neuen Papst und sieht Chancen für die katholische Kirche durch den «Jesuiten mit der Kutte»: «Das Papsttum verlässt Europa und geht nach Amerika. Das ist ein Ereignis, das die Fähigkeit zum Neuen bezeugt, die es in dem antiken Herz der Kirche von Rom noch gibt. (…) Das Papsttum überquert den Atlantik, ausgewählt wird ein Mann des amerikanischen Subkontinents, das heisst ein Mann des Südens der Welt – in einer Zeit, in der der arme Süden gerade den reichen Norden herausfordert, im Namen seiner Rechte und seiner Notwendigkeiten.»
DEUTSCHLAND: Die «Frankfurter Allgemeine» schreibt: «Mit der Wahl von Jorge Bergoglio haben sie [die Kardinäle] ein Zeichen des Neuanfangs gesetzt. Denn dieser ist der erste Nichteuropäer seit der Antike, der erste Lateinamerikaner überhaupt und das erste Mitglied des Jesuitenordens auf dem Stuhl des Bischofs von Rom. Bergoglio selbst hat diese Zeichen sofort erwidert und einen Namen gewählt, der in der Papstgeschichte einen Neuanfang markiert: Franziskus. Und ehe er selbst der begeisterten Menge den Segen spenden wollte, bat er das Volk darum, für ihn zu beten. Der Petersplatz schwieg. Alles ist möglich.»
POLEN: Die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» kommentiert die Wahl des neuen Papstes so: «Wie wird der neue Papst sein? Trägt er die Legende vom armen Jesuiten in die Hauptstadt der Kirche? Erinnert er die Mächtigen der ganzen Welt an Armut und Reue? Lehrt er, dass Bescheidenheit eine Ehre des Reichtums ist und die Mission der Kirche, den Armen zu helfen? Wir werden ihm die Daumen drücken, denn das Ausmass der Dinge, um die er sich kümmern muss, ist unermesslich.»
FRANKREICH: Die Pariser «Libération» sieht den neuen Papst vor einer schweren Aufgabe: «Als erster Jesuit, der Papst wurde, als erster Lateinamerikaner in einer Dynastie, die für immer europäisch schien, wird der Kardinal von Buenos Aires über eine Kirche regieren, die Benedikt XVI. nicht umwandeln konnte. Eine Kirche, die wiederholt in Finanz- und Sexskandale verwickelt wurde. (…) Wird dieser alte Mann seine Kirche und seine Gläubigen zu mehr Öffnung bewegen können – hinsichtlich der Frauen etwa oder der geschlechtlichen Ausrichtung? Oder wird er, wie seine Vorgänger, ein rigider Hüter der Dogmen sein?»
SPANIEN: Die linksliberale spanische Zeitung «El País» schreibt: «Die Wahl eines dialogbereiten Nicht-Europäers zum neuen Papst weckt Hoffnungen auf Reformen, die die katholische Kirche benötigt. Die Spannungen innerhalb der Kirche selbst wie auch in den Beziehungen zur Aussenwelt sind unübersehbar. (…) Niemand hätte die Wahl eines Revolutionärs zum Papst erwartet. Aber die Qualitäten der Aufrichtigkeit und der Dialogbereitschaft können für Papst Franziskus die entscheidenden Trumpfkarten sein, um die gewünschte Entwicklung einzuleiten.»
ARGENTINIEN: Die konservative argentinische Tageszeitung «La Nación» beschreibt den neuen Pontifex als «bescheidenen und schweigsamen Mann», der zu Beginn des Jahrtausends die argentinische Bischofskonferenz leitete, «als das Land eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise durchlebte. In dieser Zeit stand er für die Armen ein. (…) Der neue Papst wird sich ab heute darauf einstellen müssen, dem Namen von Franziskus gerecht zu werden. (…) Auf ihn wartet viel Arbeit.»
USA: Etwas kritischer äussert sich demgegenüber die «New York Times» zur Wahl von Kardinal Bergoglio: «Es ist einerseits eine historische Wahl, denn erstmals wird ein Lateinamerikaner und ein Vertreter des Jesuiten-Ordens Papst. Die Wahl von Kardinal Bergoglio ist jedoch auch eine konventionelle Wahl. Er ist ein konservativer Theologe italienischer Abstammung, der kompromisslos die Ansichten des Vatikans zu Abtreibung, homosexueller Ehe, der Priesterweihe von Frauen und anderen wichtigen Fragen vertritt».