Mehrere europäische Staaten und die USA verurteilen das gewaltsame Vorgehen der ägyptischen Regierung gegen die Opposition. London, Berlin, Rom, Paris und Wien haben die Botschafter des arabischen Landes einbestellt. Ausländische Firmen stoppen die Produktion.
Die USA sagten ein traditionelles gemeinsames Manöver beider Streitkräfte ab. Das Manöver «Bright Star» mit Zehntausenden amerikanischen und ägyptischen Soldaten sowie Streitkräften anderer Länder findet normalerweise alle zwei Jahre statt.
Angesichts der Geschehnisse könnten die USA ihre Beziehung mit Ägypten derzeit nicht wie gewohnt weiterführen, sagte US-Präsident Barack Obama. Ägypten sei auf einem «gefährlichen Weg», warnte er am Donnerstag von seinem Ferienort auf der Insel Martha’s Vineyard im US-Staat Massachusetts aus.
Er habe seinen Nationalen Sicherheitsrat aufgefordert, zu ermitteln, ob weitere Konsequenzen notwendig seien. Ob dazu auch ein Einfrieren der milliardenschweren Militärhilfe gehört, sprach Obama nicht an. Die USA wollten weiterhin ein enger Partner Ägyptens bleiben, sagte er.
Schweiz «zutiefst besorgt»
In Bern zeigte sich das EDA «zutiefst besorgt» über die Gewalteskalation. Der ägyptische Botschafter wurde zu Staatssekretär Yves Rossier eingeladen, um über die gewaltsamen Auseinandersetzungen Auskunft zu geben.
Bei dieser Gelegenheit habe Rossier seine Betroffenheit und seine tiefe Beunruhigung über die Ereignisse in Ägypten ausgedrückt, teilte das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit. Er habe die ägyptischen Sicherheitskräfte zu grösster Zurückhaltung aufgerufen und die interimistische Regierung zu einem alle Parteien einschliessenden Transitionsprozess aufgerufen.
«Tiefe Besorgnis»
In Frankreich bestellte Präsident François Hollande in einer ungewöhnlichen Geste persönlich den ägyptischen Botschafter zu sich. Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle kündigte Konsequenzen aus der blutigen Räumung von Protestlagern der Islamisten an. Dazu liefen derzeit internationale Abstimmungen.
«Wir sind zunächst einmal in einem engen Abstimmungsprozess mit unseren europäischen Partnern», sagte Westerwelle. Es werde aber auch mit den USA und den arabischen Staaten einen Austausch dazu geben. Das Blutvergiessen müsse ein Ende haben, forderte Westerwelle bei seinem Besuch in Tunesien.
Auch die Regierung in London teilte mit, sie habe den ägyptischen Botschafter einbestellt, um ihm ihre «tiefe Besorgnis» über die Gewalt auszudrücken, das Vorgehen der Sicherheitskräfte zu verurteilen und die Regierung zur «grössten Zurückhaltung» aufzurufen. Wie das Aussenministerium mitteilte, wurde der Botschafter bereits am Mittwoch einbestellt.
Produktion im Land gestoppt
Ägypten droht durch die Gewaltexzesse ein herber wirtschaftlicher Rückschlag. Erste ausländische Konzerne stoppten die Produktion und schlossen ihre Büros. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist es derzeit so gut wie unmöglich, noch Geschäfte im Krisenland zu machen.
Der weltweit zweitgrösste Haushaltsgerätehersteller Electrolux stoppt bis auf weiteres seine Produktion in Ägypten. Am Samstag werde eine Wiederaufnahme geprüft, sagte ein Konzernsprecher am Donnerstag. Das Unternehmen beschäftigt rund 7000 Mitarbeitenden im Land.
Auch General Motors hielt die Bänder in seinem Werk nahe Kairo mit 1400 Mitarbeitenden an. Viele weitere Firmen tun dasselbe. Europas grösster Ölkonzern Royal Dutch/Shell lässt seine Büros vorerst geschlossen. Inwieweit die Förderanlagen betroffen sind, blieb zunächst unklar.
Wirtschaft leidet schon lange
Schon vor der Eskalation hat Ägyptens Wirtschaft unter der unsicheren Lage gelitten. In den neun Monaten bis Ende März legte das Bruttoinlandsprodukt nur um 2,3 Prozent zu. Experten halten ein Wachstum von mindestens sechs Prozent für notwendig, um ausreichend Jobs zu schaffen.
Die Zentralbank senkte Anfang August überraschend ihren Leitzins, um die Konjunktur anzukurbeln. Auch an den Finanzmärkten nimmt die Verunsicherung zu. Die Kairoer Aktienbörse blieb am Donnerstag wegen der Krawalle geschlossen.